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Reviews

Gesualdo, C. (Herzog)

Gesualdo. Death for five Voices. The Composer Carlo Gesualdo (1560-1613)


Info

Musikrichtung: Reniassance Dokumentation

VÖ: 12.01.2007

Arthaus Musik / Naxos
DVD(1995) / Best. Nr. 101 055


Gesamtspielzeit: 60:00

IRONISCH DISTANZIERT

Die Musik des komponierenden Fürsten Carlo Gesualdo di Venosa singt von Leidenschaft, Todessehnsucht, Wahnsinn und erotischer Ekstase. Vor allem die späten Madrigalbücher legen Zeugnis ab von diesem konservativen Genie, das eine alte, seinerzeit fast schon überlebte Form mit neuen, auch heute noch unerhörten Klängen füllte. Man hört Musik des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, die harmonisch die Spätromantik vorwegnimmt (und doch ganz anders klingt: Es geht nicht um atmosphärische und malerische Klangeffekte, sondern um möglichst plastische Wortausdeutung - die "zerklüftete" Textur der Musik wirkt ausgesprochen modern). Nicht zuletzt die Antikenbegeisterung der Zeit, die auch die verlorene chromatische Musik Griechenlands wiedererstehen lassen wollte, hatte diesen experimentellen Stil beflügelt.
Bei Gesualdo hat die Lust auf schräge, emotional überdosierte Klänge aber auch psychologische Ursachen gehabt. Berühmtheit erlangte der Fürst nämlich in erster Linie nicht wegen seiner Musik, sondern wegen des offenbar eigenhändig ausgeführten Doppelmordes an seiner ersten Frau und deren Liebhaber. Die in zeitgenössischen Berichten mit allerlei Splatter-Details angereicherte Bluttat galt seinerzeit als zwar unschöner, aber legitimer Ehrenmord, wenngleich die direkte Beteiligung des Gehörnten daran ungewöhnlich war. Gesualdo, der bald darauf wieder heiratete, verwand seine Tat offenbar nicht. Er zog sich in das befestigte Schloss Gesualdo zurück und geriet in einen Sog aus peinvoller Reue, Depressionen und masochistischen Bußübungen. Ausdruck fand seine Seelenqual vor allem in seinen späten Kompositionen, dem 5. und 6. Madrigalbuch, und den berühmten Responsorien für die Karwoche.
Biographie und Musik haben Gesualdo zum Sonderfall gemacht. Lange Zeit wurde er entweder als mörderischer Psychopath oder musikalischer Dilettant geschmäht, bis man ihn im 20.Jahrhundert zum Urahn aller tragischen Genies und Avantgardisten erklärte.

In seinem Dokumentarfilm Gesualdo. Death for five Voices versucht Werner Herzog, dem Menschen und dem Komponisten Carlo Gesualdo auf die Spur zu kommen. Herzog, der vor allem in seinen Filmen mit Klaus Kinski seine Faszination für extreme Charaktere und Exzentriker eindrucksvoll visualisiert hat, nähert sich in diesem Fall dem geheimnisvollen Künstler diskret und indirekt. Im Grunde kreist der ganze Film um eine leere Mitte, die auch durch ein eher unscheinbares Porträt Gesualdos nicht ausgefüllt wird: Legenden und Histörchen werden von heute lebenden Personen erzählt, die bei Gelegenheit auch gleich noch ein paar (unechte) Requisiten des fürstlichen Wahnsinns vorführen. Oder es werden die Details der Bluttat an den heute harmlos oder - im Fall des Mordbettes - grotesk überinszeniert anmutenden Schauplätzen berichtet. Die Schlagersängerin Milva hat als Gesualdos Gattin einen bizarren Cameo-Auftritt und schmettert Gesualdos Weisen zur Begleitung aus dem Ghettoblaster. Das Schloss des Fürsten ist heute nur noch eine Bruchbude und beweist, wie wenig man sich vor Ort der historischen Bedeutung des Komponisten bewusst ist.

Es ist dann auch vor allem die gut kommentierte Musik, gesungen von Il Complesso Barocco und dem Gesualdo Consort of London, die geeignet ist, etwas von der Faszination Gesualdos zu vermitteln. Die Interpretation sind allerdings durchwachsen: Besticht das Londoner Ensemble bei insgesamt langsamen Tempi zwar nicht durch Temperament, doch immerhin durch Homogenität und Wohlklang, so irritiert Il Complesso Barocco durch durchdringende und säuerliche Sopranstimmen und die - zugegeben authentische - trockene Kammerakustik.

Wer dennoch neugierig geworden ist, dem seien die sehr gelungenen Einspielungen des Hilliard Ensembles (Responsorien, ECM), des Gesualdo Consorts Amsterdam (CPO) oder von La Venexiana (Glossa) empfohlen (1-3 bzw. 4 und 5. Madrigalbuch, Fortsetzungen sollen folgen).



Georg Henkel

Besetzung

Musik:
Il Complesso Barocco, Ltg. Alan Curtis
Gesualdo Consort of London, Ltg. Gerald Place

Milva u.a.

Regie: Werner Herzog

Feature: Audiokommentar des Regisseurs
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