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Arno Raunig singt Kastratenarien
Info
Musikrichtung:
Barock - Klassik vokal
VÖ: 01.02.2007 Accent / Note 1 CD (AD DDD 2006) / Best. Nr. CCD 333 Gesamtspielzeit: 65:26 |
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Sein Stimmideal sei nicht das des Countertenors, sondern das des Kastraten: eine hohe und helle, trompetenhaft strahlende, aber auch süße Stimme. So der österreichische Sopranist Arno Raunig, der hier zusammen mit dem Concilum musicum Wien eine Auswahl seiner Lieblingsarien von Alessandro Stradella bis Gioachino Rossini vorlegt.
Raunigs falsettierende Annäherung an das untergegangene Stimmfache ist in der Tat bemerkenswert. Auch nach einer nunmehr 20jährigen Sängerkarriere zeigt seine Stimme nur wenig Ermüdungserscheinungen. Er kommt praktisch ohne die galligen oder schrillen Nebentöne aus, die viele seiner Counterkollegen produzieren und die meist hinter schmeichelhaften Etiketten wie „Charakter“ oder „Farbigkeit“ verschwinden. Erst in der höchsten Lage oder bei erhöhter Anspannung im Forte wird auch Raunigs Stimme scharf, eng und unangenehm flackernd, besonders ohrenfällig in Hasses Torrente cresciuto oder der Mozartarie Nel grancimento aus Mitridate. In diesen Momenten stößt der Sänger dann doch an seine natürlichen Grenzen. Selbst in dem klanglich und stilistisch ruinösen Tondokument von Alessandro Moreschi, dem „letzten Kastraten“, gibt es diese Grenze gerade nicht.
Raunigs Timbre fehlt interessanterweise fast völlig jene attraktive (oder auch irritierende) Androgynität anderer Falsettisten. Vielleicht liegt es daran, dass man hier weniger an den Stimmtyp des Kastraten denn an den einer konventionellen Sopranistin denkt. Dazu passt, dass Raunigs Stimme überhaupt theatralischer, opernhafter als die vieler Kollegen klingt. Max Emmanuel Cencic und David Daniels sind ihm da näher als Andreas Scholl und der junge Philippe Jaroussky.
Das bisweilen üppige Vibrato, das er mit den beiden Erstgenannten gemeinsam hat, ist freilich Geschmackssache. Bei diesem Repertoire gebe ich einer linearen Stimmführung den Vorzug. Die delikaten Linien und das feine Gespinst aus Verzierungen vertragen im Dienste des Ausdrucks nur geringe Dosen. Gerade bei den Werken des 17. Jahrhunderts wirkt das Beben des Tons schnell etwas forciert und sentimental, zumal bei den ruhigen Stücken.
Virtuosität im Sinne von Geläufigkeit zeigt Raunig vor allem mit den späteren Meistern, Hasse vor allem. Bei Händel hat er sich durchweg für ruhige, sattsam bekannte Stücke entschieden, auch sonst stehen Koloraturenketten nicht im Vordergrund. Nur um Effekt zu machen wird hier nicht musiziert.
Mitunter etwas behäbig klingen vor allem in den langsamen Stücken die Beiträge des Begleitensembles; für Auflockerung sorgen kurze Sätze aus einer C-Dur-Ouvertüre von Johann Joseph Fux, die sich mit den Arien abwechseln.
Georg Henkel
Trackliste
1 | A. Strabella: Pieta signore | 6:29 |
2 | J. J. Fux: Ouvertüre C-Dur | 2:00 |
3 | G. F. Händel: Frondi Tenere (Xerses) | 0:50 |
4 | G. F. Händel: Ombra mai fu (Xerxes) | 2:54 |
5 | G. F. Händel: Lascia ch’io pianga (Rinaldo) | 4:07 |
6 | G. F. Händel: Verdi prati (Alcina) | 4:25 |
7 | J. J. Fux: Arie (Overtüre C-Dur) | 1:09 |
8 | Chr. W. Gluck: Che faro senza Euridice (Orfeo ed Euridice) | 3:43 |
9 | J. J. Fuchs: Menuet (Overtüre C-Dur) | 1:12 |
10 | J. A. Hasse: Eja stellae | 6:37 |
11 | J. A. Hasse: Torrente cresciuto (Siroe) | 5:57 |
12 | W. A. Mozart: Se l’augellin sen fugge (La finta giardiniera) | 4:22 |
13 | W. A. Mozart: Ma qual virtù (Betulia liberata) | 3:15 |
14 | W. A. Mozart: Parto: Nel garn cimento (Mitridate) | 3:59 |
15 | J. J. Fux: Arie de Volage (Overtüre C-Dur) | 0:59 |
16 | I. J. Pleyel: Se ti consiglia amore (Ifigenia in Aulis) | 4:45 |
17 | G. Rossigni: Perché mai (Aurelia in Palmyra) | 3:30 |
Besetzung
Concilium musicum Wien
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |