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The Matchstick Man / The Seventh Door
Info
Musikrichtung:
Neue Musik Dokumentation
VÖ: 26.10.2006 Juxtapositions/Ideale Audience / Naxos DVD(AD 1996/1998) / Best. Nr. DVD9DS16 Gesamtspielzeit: 129:00 |
UNGARISCHE MUSIK-EXPORTE
„Ungarn ist ein sehr guter Exporteur.“ So urteilt der französische Komponist Pierre Boulez über den wichtigen Beitrag seiner ungarischen Kollegen György Ligeti, György Kurtag und Peter Eötvös zur Musik des 20. Jahrhunderts.
Die Dokumentarfilmerin Judit Kele hat Kurtag und Eötvös in den 90er Jahren zwei Filme gewidmet, die auf visuell anregende Weise die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Künstler herausstellen. Die ernste und verschattete Stimmung, die den Kurtag-Beitrag mit dem Titel The Matchstick Man prägt, spiegelt viel von den kreativen Zweifeln des Komponisten, der sich seine eigene Sprache durch eine tiefe innere und äußere Krise hindurch erringen musste. Seine Musik charakterisiert eine aphoristische Kürze und äußerste Konzentration; ihm genügen nur eine handvoll Noten und wenige, prägnante Gesten, um eine Situation, einen Gedanken oder eine Empfindung in Musik aufscheinen zu lassen. Überraschend vielfältig und vielschichtig ist das musikalische Material, das alle Möglichkeiten der Avantgarde wie der musikalischen Tradition einschließt. Selbst ein schlichter Dreiklang klingt bei Kurtag ganz neu und unerhört frisch.
Obwohl nicht wenigen Stücken ein nachgerade quälerischer und aggressiver Ausdruck eigen ist, gibt es doch immer wieder Momente großer Zartheit, ja Schönheit und nicht zuletzt eine gesunde Dosis Humor.
Mit der gleichen Akribie und Energie, die er seiner eigenen Musik widmet, geht Kurtag bei der Erarbeitung anderer Komponisten zu Werke. Wie er seinen Schülern bildkräftig noch Sinn und Bedeutung einer einzelnen Note zu erschließen vermag, ist ebenso ergreifend wie inspirierend.
Peter Eötvös ist zwar nicht als Lehrer, dafür aber als Dirigent vor allem Neuer Musik hervorgetreten. Kele widmet ihm ebenfalls einen Film, der sich durch eher gebrochene Farben und gedämpftes Licht auszeichnet, die hier aber weniger Ausdruck einer melancholischen Persönlichkeit als der diskreten Zurückhaltung des Komponisten sind. Mit Kele schreitet der Zuschauer durch sieben imaginäre Türen, die den sieben Türen aus dem Märchen von Herzog Blaubart entlehnt sind. Bela Bartók, auf den Eötvös sich immer wieder bezieht, hat die Geschichte als Oper komponiert. Daher der Titel The Seventh Door: Wie in Bartóks Oper verbirgt sich hinter jeder Tür ein neuer Aspekt von Eötvös Werk und Persönlichkeit. Eötvös Musik ist schillernder als die Kurtags. Anders als Kurtag, bei dem sehr häufig (Auto)Biographisches bzw. individuelle Personen einzelne Werke angeregt haben, geht Eötvös Musik eher aufs Überindividuelle oder Kosmische. Titel wie Atlantis oder Psychokosmos verweisen auf mythische und metaphysische Welten. Gärenden Prozessen, vielfachen Schichtungen und Überblendungen des Klangs stehen dabei Momente von kammermusikalischer Intimität und Transparenz gegenüber. So expressiv und atmosphärisch geladen Eötvös Musik häufig klingt, so ist doch auch ihr Humor nicht fremd, wie z. B. seine skurrilen Insekten-Madrigale beweisen.
Die beiden Beiträge sind dicht, informativ und durch ihre sensible Bildsprache auch als Musik-Filme sehenswert. Es ist bedauerlich, dass Kele dem im Juni 2006 verstorbenen György Ligeti nicht ebenfalls ein Porträt gewidmet hat.
Georg Henkel
Trackliste
Peter Eötvös: The Seventh Door 52:30
Exercises (Kurzdokumentation zur Musik von Kurtag) 24:00
DVD-Rom mit Übersetzungen der Booklettexte
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |