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Arien von Händel und Hasse
Info
Musikrichtung:
Barock Arie Kantate
VÖ: 20.10.2006 Virgin Classics / EMI CD (AD DDD 2005) / Best. Nr. 4573729 Gesamtspielzeit: 71:37 |
KOLORATURWUNDER
Die kanadische Sängerin Vivica Genaux ist ein Koloraturwunder. Kein barockes Vokalmanöver scheint ihren Mezzosopran an seine Grenzen zu führen. Wo andere Sängerinnen pflichtschuldig ihre Verzierung anbringen, setzt Genaux zum vokalen Stunt an und singt selbst bei sehr schnellen Tempi noch verblüffend virtuose, dabei stilsichere Teilungen, quirlige Roulladen, affektive Intervallsprünge und aufregende Triller. Kaum zu glauben, wo überall eine zusätzliche Note Platz findet, wenn die Technik ihre Anbringung erlaubt (wobei unter dem vokalen Hochdruck die Registerwechsel nicht immer bruchlos gelingen).
Dass die kunstvolle Stilisierung über eine auch emotional packende stimmliche Dramatik dominiert, ist der Preis, der für diese Annäherung an den Ziergesang der Kastraten des 18. Jahrhunderts zu entrichten ist. Es gibt Interpretinnen, die mit geringerem Aufwand (und mit einer weniger opaken Stimmfarbe) die gleiche, wenn nicht noch größere musikdramatische Spannung erzeugen.
Dennoch ist es hochinteressant und im barocken Sinne unterhaltsam, die ausgewählten, zum Teil wenig bekannten Preziosen aus den Werken der beiden Landsmänner Johann Adolf Hasse und Georg Friedrich Händel in dieser Einspielung zu hören. Eine sehr konzentrierte Auswahl aus den Opern hat Genaux mit zwei Kantaten der Komponisten kombiniert. Händels Orlando zeigt den Komponisten in der Arie Fammi combattere als Erfüller der Konventionen. In der genre- und formsprengenden Wahnsinnsszene Ah! Stigie larve werden diese dann zugunsten einer fast schon psychologischen Wahrheit dekonstruiert. Hasse dagegen erscheint durchweg angepasster, der Hörer wird überwältigt durch das schier unendliche Strömen seiner herrlichen Melodien, von denen die Oper Arminio einige zu bieten hat. Hier und bei der Kantate bleibt Genaux viel mehr Zeit zur Entwicklung der musikalischen Linie - und hier erweist sie sich als sehr sensible Interpretin, ganz unabhängig von allem barocken Zierrat.
Die auf modernen Instrumenten unter der Stabführung von Bernard Labadie stilsicher aufspielenden Violons du Roy steuern zu Genaux Gesang einen Instrumentalpart mit durchaus französischem Akzent bei: vergleichsweise moderat in den Tempi, dabei abgerundet und von einer geradezu körperlichen Geschmeidigkeit in der Phrasierung und Artikulation.
Problematisch ist allerdings die Akustik: Der kirchliche Aufnahmeort betont über Gebühr die tiefen Frequenzen, der Klang des Orchesters ist oft mulmig und nicht im Gleichgewicht mit der Sängerin - das trübt das Hörvergnügen leider nachhaltig.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Händel, Orlando: Fammi Combattere Mostrri E Tifer | 3:45 |
2 | Händel, Orlando: Ah ! Stigie Larve...Gia Latka Cerbero | 7:17 |
3 | Händel, Alcina: Sta Nell'Ircana Pietrosa Tana Écouter | 5:32 |
4 | Händel, Splenda L'Alba In Oriente: Splenda L'Alba In Oriente | 5:43 |
5 | Händel, Splenda L'Alba In Oriente: Tu, Armonica Cecilia | 0:33 |
6 | Händel, Splenda L'Alba In Oriente: La Virtute E Un Vero Nume | 4:14 |
7 | Hasse, Arminio: Ti Lascio In Ceppi Avvinto | 7:30 |
8 | Hasse, Arminio: Se Mia Speranza Sola | 7:45 |
9 | Hasse, Arminio: Vaghi Rai, Pupille Amate | 9:50 |
10 | Hasse, La Scusa: No, Perdonami, O Clori | 0:58 |
11 | Hasse, La Scusa: Trova Un Sol | 10:01 |
12 | Hasse, La Scusa: Placati, O Pastorella | 2:03 |
13 | Hasse, La Scusa: Torna In Quell'Onda Chiara | 6:26 |
Besetzung
Les Violons du Roy
Bernard Labadie, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |