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Nocturnes (Gesamtaufnahme)
Info
Musikrichtung:
Romantik
VÖ: 12.06.2006 Celestial Harmonies / Naxos (2 CD, DDD (AD: 2006) / Best.nr. 14260-2) Gesamtspielzeit: 125:13 Internet: R. Woodward Celestial Harmonies |
PHANTASTISCH
Wenn doch nur alle Pausen so ertragreich wären! Der mittlerweile 63jährige Pianist Roger Woodward kehrt nach fünf Jahren Kreativpause in den Musikbetrieb zurück und wartet mit einer Gesamteinspielung von Chopins Nocturnes auf, die ihresgleichen sucht. Woodward ist v.a. durch die Interpretation zeitgenössicher Musik bekannt geworden: Takemitsu, Feldman, Pärt, Xenakis u.a. Die Früchte dieser intensiven Beschäftigung mit andersartigen Klangwelten und -farben fließen auch in seine Deutung der Nocturnes ein.
Woodard geht diese mit großer Behutsamkeit an, so dass die Spielzeiten der einzelnen Stücke zumeist deutlich über denen anderer Interpreten liegen. Virtuoses Tastengeklingel ist ihm fremd. Seine konzentrierte Deutung ist überlegt, bisweilen versonnen und in den Auszierungen mit erstaunlichen, jedoch uneitlen Freiheiten versehen. Der Pianist zeigt auf, wie stark und in welch atemberaubend moderner Weise Chopin an und mit Klangfarben arbeitete. Die Einspielung belegt zudem, dass die Größe dieser Farbpalette nicht von der Wahl des (historisch korrekten) Instruments abhängt. Zwar tönt auf dem Steinway grundsätzlich alles lichter, als etwa auf dem Fortepiano (vgl. Einspielung mit Bart van Oort), aber dies prägt den Gesamteindruck durchaus nicht wesentlich.
Jene Helligkeit des Tons führt bei Woodward nämlich keineswegs zu einem helleren Resultat. Vielmehr ist sein Spiel bestürzend melancholisch, lotet die Abgründe bis in jede Tiefe hinein aus und versperrt jeden Ausweg über brillante, hohle Phrasen. Hinter allem scheint stets ein Fragezeichen zu stehen. Die ätherischen Klanggebilde entstehen wie phantastische Traumlandschaften und so lösen sie sich auch wieder auf. Aber jene Landschaften sind derart berückend schön und der Abschied von diesen nie wirklich greifbaren Gebilden so schmerzlich, dass einem immer wieder der Atem stockt. Wer bisher bei Chopin nicht staunen und nicht weinen konnte, der wird es hier lernen.
Produzent und Tonmeister Ulrich Kraus hat die grossartige interpretatorische Leistung kongenial eingefangen und lauscht dem Instrument jede Regung sorgfältig ab.
Unbedingte Empfehlung!
Sven Kerkhoff
Trackliste
Trois Nocturnes Opus 9 (1832)
1 B flat minor 6'07"
2 E flat major 6'15"
3 B major 6'34"
Trois Nocturnes Opus 15 (1833)
4 F major 5'07"
5 F sharp major 3'44"
6 G minor 5'56"
Deux Nocturnes Opus 27 (1836)
7 C sharp minor 5'30"
8 D flat major 6'29"
Deux Nocturnes Opus 32 (1837)
9 B major 5'49"
10 A flat major 5'59"
Total Time: 58'17"
CD 2
Deux Nocturnes Opus 37 (1840)
1 G minor 7'32"
2 G major 7'09"
Deux Nocturnes Opus 48 (1841)
3 C minor 6'27"
4 F sharp minor 7'37"
Deux Nocturnes Opus 55 (1844)
5 F minor 5'07"
6 E flat major 5'14"
Deux Nocturnes Opus 62 (1846)
7 B major 8'41"
8 E major 6'15"
9 Nocturne Opus post. (1827?)
E minor 4'01"
10 Lento con gran espressione
[Nocturne] Opus post. (1830)
C sharp minor 4'08"
11 Nocturne Opus post. (1847/8)
C minor 2'49"
Total Time: 65'55"
Besetzung
(Hamburg Steinway D, 1985, Elfenbeintasten)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |