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Anonym / Prager Notenhandschriften vom 12. bis zum 15. Jh. (Lesne)

Universi Populi

Info Musikrichtung: Mittelalter vokal instrumental VÖ: 01.08.2006 Zig Zag Territories / Note 1 CD (DDD AD 2005) / Best. Nr. ZZT 060601 Gesamtspielzeit: 62:00

Alte Musik ist Neue Musik. Nach wie vor wird neues Repertoire erschlossen. Und selbst wenn nicht jede Neuausgrabung gleich Geniales ans Licht bringt, so gibt es - wie im vorliegenden Fall - doch immer wieder Schönes zu entdecken.

Zusammen mit der Musikologin Marie-Noël Colette hat sich die Sängerin und Ensembleleiterin Brigitte Lesne an die Erschließung mittelalterlicher liturgischer Musik aus Prag gemacht. Aus diversen Handschriften hat sie mit ihrem renommierten Ensemble Discantus erstmals ein Programm mit ein- und mehrstimmiger Musik eingespielt, wie sie in Prager Kirchen gepflegt wurde.
Die Musik ist zum Teil einstimmig, vieles erklingt in einer frühen, archaischen Mehrstimmigkeit und bei einigen wenigen Stücken handelt es sich um mehrtextige Motetten im Stil von Guillaume de Machaut, der in Prag tätig gewesen ist. Vor allem die feingesponnenen Ornamente verleihen selbst den monodischen Stücken noch ein luxuriöses Gepräge: In den verspielten Texturen klingt die Nähe zur gotischen Architektur an. Ausgreifende Melodien und weichschwingende Rhythmen verleihen der Musik einen zugleich mystischen und erhabenen Charakter.
Obwohl diese Musik gewiss nicht für eine pausenlose konzertante Wiedergabe gedacht war, erschließt sich ihre Schönheit doch auch in dieser Form als musikalische Meditation.

Discantus besteht aus zehn Sängerinnen. Der A-Capella-Gesang wird sparsam aber effektvoll kontrapunktiert durch Glockenspiel und Handglocken, die von den Sängerinnen geschlagen werden. Gelegentlich erwachsen daraus regelrechte instrumentale Vor- oder Zwischenspiele mit einer schimmernden Klangaura.
Die Gruppe bevorzugt einen angenehm herben, obertonreichen Klang, was nicht nur die einstimmigen, sondern die quint- und quartseligen mehrstimmigen Stücke vor einer Überdosis sphärischen Wohlklangs bewahrt. Im Rahmen der Möglichkeiten ist so ein durchaus abwechslungsreicher und farbiger Querschnitt durch ein bislang unbekanntes Repertoire entstanden, der vor allem Liebhaber alter kirchlicher Gesänge faszinieren wird.

Georg Henkel