Reviews
L´Irato ou l´Emporté
Info
Musikrichtung:
Oper
VÖ: 15.05.2006 Capriccio / Delta Music (CD, DDD (AD: 18.09.2005) / Best.nr. 60 128) Gesamtspielzeit: 64:18 Internet: l´arte del mondo Delta |
NAPOLEON UND DIE OPER
Sich Napoleon in der Oper vorzustellen, fällt ohnehin schon nicht ganz leicht. Die Tatsache aber, dass dieser kleine große Franzose dabei auch noch den italienischen Stil dem französischen vorzog, bringt das Bild des Nationalhelden bedrohlich ins Wanken. Nicht zuletzt, um Napoleons Vorlieben entgegenzukommen, aber auch denen seiner Zeitgenossen, die nach leichter Unterhaltung verlangten, wollte Étienne-Nicolas Méhul (1763-1817) mit dieser einaktigen Opéra Comique unter Beweis stellen, dass auch ein Franzose ein italienische Oper komponieren konnte. Um den Beweis wasserdicht zu machen, sorgte er durch gezielte Fehlinformationen dafür, dass das Publikum während der Premiere 1801 annahm, das Werk eines Italieniers zu hören. Der Coup gelang: Die Zuhörer, einschließlich des großen Napoleon, waren begeistert - und schließlich überrascht, als Méhul sich als der wahre Urheber des Stücks präsentierte.
In der Tat knüpft Méhul vollendet an die Vorbilder Paisiello und Cimarosa an. Die Musik ist launig, leichtfüßig und melodisch eingängig. Die Geschichte um den griesgrämig-jähzornigen Pandolphe (L´Emporté / Der Hitzkopf), der dem Liebesglück sowohl seines Neffen als auch seiner Nichte im Wege steht und daher mit Geschick überlistet werden muss, ist zwar weder dramaturgisch noch inhaltlich besonders originell. Sie entwickelt aber doch einigen Charme und harmlose Komik. Dem, der des Französischen mächtig ist, werden daher auch die gesprochenen und engagiert vorgetragenen Zwischentexte Vergnügen bereiten.
Alle andern dürfen sich vor allem an dem quicklebendigen Spiel des Ensembles "l´arte del mondo" auf historischen Instrumenten erfreuen. Unter dem langjährigen Leiter von Concerto Köln, Werner Erhardt gelingt es den Musikern, das buffoneske Parlando orchestral aufzunehmen und zu befeuern.
Das treibt auch die junge Sängerriege zu ganz erstaunlichen Leistungen an. Alain Buet gibt einen stimmlich profunden Pandolphe, auch wenn man sich diesen durchaus noch etwas grimmig polternder hätte denken können. Die Rolle des Dieners Scapin versieht Miljenko Turk pfiffig und mit jugendlich frischer Bassstimme. Als Isabelle agiert Pauline Courtin mädchenhaft keck und federleicht. Auch die übrigen Solisten glänzen mit Spielwitz und tragfähigen Stimmen. Einzig Georg Poplutz lässt zwischendurch auch mal kleinere Unsicherheiten erkennen.
Das überaus plastische Klangbild der CD bringt diesen wieder entdeckten, rund einstündigen Opernspaß angemessen zur Geltung. Das Booklet wartet mit vielen interessanten Informationen auf, ist aber leider im Libretto-Teil recht unübersichtlich geraten.
Als nicht gering zu schätzende Zugabe gibt es Méhuls 1793 entstandene "Ouverture du Ballet de Paris". In ihrer üppigen orchestralen Besetzung erweist sie sich als zugkräftige, effektvolle Nummer.
Auch hier zeigt sich "l´arte del mondo" in vitaler, zupackender Musizierlaune.
Das Label Capriccio plant in den nächsten Jahren weitere Orchester- und Opernproduktion mit dem noch jungen Ensemble - diese CD gibt reichlich Anlass, sich darauf zu freuen.
Sven Kerkhoff
Trackliste
21 Ouverture du Ballet de Paris à Grand Orchestra
Besetzung
Lysandre: Cyril Auvity, Tenor
Isabelle: Pauline Courtin, Sopran
Pandolphe: Alain Buet, Bass
Nérine: Svenja Hempel, Sopran
Balouard: Georg Poplutz, Tenor
Bonner Kammerchor
l´arte del mondo
Ltg. Werner Erhardt
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |