Reviews
An index of metals. Video-Oper 2003
Info
Musikrichtung:
Neue Musik / Video
VÖ: 01.06.2006 Cypress / Note 1 CD + DVD (AD 2005) / Best. Nr. CYP5622 Gesamtspielzeit: 49:35 |
WO BLEIBEN DIE DRINKS?
"Der Ausgangspunkt meiner Kompositionen ist die Ansicht, dass Klang ein Material ist, das bearbeitet werden kann. Die Hauptaspekte dieser Klanggebilde sind ihre Maserung, Stärke, Porosität, Dichte, Brillanz und Elastizität, die ebenso aus der Verstärkung und der elektroakustischen Behandlung, wie aus der einfachen instrumentalen Notierung resultieren." (Fausto Romitelli)
Das letzte Werk des italienischen Komponisten Fausto Romitelli (1963-2004) ist ein höchst sinnlicher multinmedialer Trip: Die Video-Oper An Index of Metals (2003) verschmilzt die Musik Romitellis mit den Bildkompositionen von Pablo Pachini und Léonardo Romolli zu einem genresprengenden Gesamtkunstwerk. Romitellis Interesse gilt dem Klang und seinen Texturen mit ihren unendlichen Differenzierungsmöglichkeiten.
Unüberhörbar ist der Einfluss der spektralen Schule, die sich in den 60er Jahren in Frankreich etabliert hat. Aus Instrumentalklängen wird durch Zergliederung der Obertonspektren und Klangfarben das musikalische Material gewonnnen. Doch Romitelli bleibt nicht bei buntschillernden Klangkomplexen stehen, sondern verwendet fremdes Material, Zitate und Anspielungen auf andere Stile und Musiken, die freilich so überlegt eingebunden und verformt werden, dass das Ganze wieder sehr homogen wirkt. Die Tonspur seiner Oper vereinigt elektronische und akustische Klänge aus der E- und U-Musik zu einem schillernden Kaleidoskop, in dem noch das Knacken analoger Schallplatten zum Ausgangspunkt klangfarblicher und rhythmischer Analysen wird. Das Spektrum reicht vom kalten elektronischen Fiepen über satte E-Gitarren-Sounds und brausende Klangflächen bis hin zu gärenden mehrschichtigen Prozessen.
Die extrem geführte Sopran-Stimme von Donatienne Michel-Dansac steuert die die Gedichte der kroatischen Dichterin Kenka Lèkovich bei: mal roboterartig starr, mal exaltiert, mal lyrisch entrückt. Dazu kommen die Bilder Pachinis und Romolis.
Am lohnendesten ist da die PC-Version mit drei parallelen Bildfenstern. So reichhaltig wie Romitellis Klangcocktail sind die visuellen Eindrücke: spiegelnde Glasoberflächen, blauer Himmel, Wassertropfen, die Flammen eines Schweißbrenners, Hochhausfronten, eine Sortiertrommel für Abfälle ... das alles so geschickt aufgenommen, ausgeleuchtet und verfremdet, dass man das Ausgangsmaterial oft kaum noch erkennt.
Für 50 Minuten kann man sich über 12 Tracks ein ohne Zweifel sinnenverwirrendes Spektakel aus raffinierten akustischen und optischen Collagen hineinziehen lassen: in ein hypnotisches Ritual der Klang- und Bildverwandlungen und -verschmelzungen.
Die kühle technische Brillanz hält das ganze aber auch in dekorativer Distanz, Romitellis "Klangskulpturen" bleiben in ihrer perfekt abgemischten Glätte unverbindlich. Gut vorstellbar, dass man das Ganze als aufwändige, coole Party-Projektion verwendet, als eine Art häusliche Ambiente-Show. Dann fehlen nur noch die Drinks. Romitelli nennt selbst die heutigen Rave-Parties als Anregung: die totale Verschmelzung von Klang und Musik, das totale Engagement der Teilnehmenden, ihr aufgehen im Klang-Bild-Raum: An Index of Metals ist eine gewalttätige, abstrakte Erzählung, die, von allen opernhaften Kunstfertigkeiten befreiten, einen Initiationsritus des Eintauchens und eine Trance von Licht und Klang mit sich bringt."
Georg Henkel
Trackliste
Besetzung
Kenka Lèkovich: Text
Donatienne Michel-Dansac: Sopran
Ensemble Ictus
Ltg. Georges Elie-Octors
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |