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Frottole
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KUNSTLIEDER DER RENAISSANCE
„Ein Blumenstrauß von Annehmlichkeiten“: Das verbirgt sich hinter dem etwas merkwürdigen Begriff frottola. Diese Liedgattung hat ihren Ursprung im Italien des 15. Jahrhunderts. Zunächst handelte es sich wohl ganz einfach um musikalische Improvisationen über Verse (letztere sind nämlich mit den „Annehmlichkeiten“ gemeint). Entsprechend ist der Tonfall eher liedartig. Der Satz ist trotz der gelegentlichen Entfaltung virtuoser Stimmkunst einfach gehalten und wortorientiert (anders als bei der hochkomplexen Mehrstimmigkeit, wie sie zu der Zeit z. B. in Frankreich und den Niederlanden üblich war). Dadurch öffnete sich diese Kunstform mehr als andere volksmusikalischen Einflüssen, wenngleich sie eine gehobene Kunstform für Kenner und Liebhaber blieb.
Kunstlieder der Renaissance also? Nun, wenn man Marco Beasley und die phantasievollen Arrangements von Guido Morini auf dieser Einspielung hört, dann möchte man wohl zustimmen. Beasleys schlanker hoher Tenor mit seiner charaktervollen, leicht nasalen Tönung ist genau das richtige Organ für diese Gratwanderung zwischen den Stilwelten. Mit seinem eigenen Beitrag Tu dormi verlängert er die historischen Wurzeln konsequent bis in die eigene Gegenwart und bezeugt, wie „modern“ diese Gattung trotz der Jahrhunderte geblieben ist.
Die Musiker von Accordone sind mit ihrem farbigen Instrumentarium die richtigen Begleiter: Sie sorgen für die Farbakzente und rhythmischen Drive, untermalen nicht nur, sondern konzertieren auch mal mit der Singstimme.
Bei 22 Tracks und einer Spielzeit von rund 70 Minuten empfiehlt sich ein entspanntes Hören in passender Dosierung, damit man die Schönheiten der einzelnen Stücke angemessen würdigen kann. Das sehr umfangreiche Beiheft dieser auch sonst ansprechend gestalteten Platte bietet leider keine deutsche Übersetzung der Texte!
Georg Henkel
Trackliste
1 | Marco Cara (1470-1525) | Ostinato vo’ seguire |
2 | Filippo Azzaiolo (?-1569) | Chi passa per ’sta strada |
3 | Antonio Stringari (XVI c.) | Non più saette Amor |
4 | Antonio Caprioli (XVI c.) | Sotto un verde e alto cipresso |
5 | Anonymous (XVI c.) | Pan de miglio caldo |
6 | Guido Morini (1959) | Per dolor (instrumental) |
7 | Jacopo Fogliano (1468-1548) | L’amor, donna, ch’io te porto |
8 | Bartolomeo Tromboncino (1470-1535) | Sú, sú leva, alza le ciglia |
9 | Orlando di Lasso (1532-1594) | Madonna mia pietà |
10 | Anonymous (XVI c) | Staralla ben cusì |
11 | Anonymous (XVI c.) | Pavana e Gagliarda “della Traditora” (instrumental) |
12 | Guglielmo il Giuggiola (XVI c.) | Canto di Lantze pellegrine |
13 | Marco Cara | Per fuggir d’amor le punte |
14 | Bartolomeo Tromboncino | Per dolor me bagno el viso |
15 | Paolo Scoto (XVI c.) | Capra moza sonemus et cantemus |
16 | Gio: Ambrogio Dalza (?-1508) | Saltarello e Piva (instrumental) |
17 | Marco Cara | Io non compro più speranza |
18 | Filippo de Lurano (1475-1520) | Se m’è grato el tuo tornare |
19 | Bartolomeo Tromboncino | Ave Maria |
20 | Pietro Paolo Borrono (ca. 1490-1563) | Pavana e saltarello “della Milanese” (instrumental) |
21 | Bartolomeo Tromboncino | Vergene bella |
22 | Marco Beasley (1957) | Tu dormi |
Besetzung
Guido Morini, Orgel und Leitung
Stefano Rocco, Laute und Renaissance-Gitarre
Franco Pavan, Laute
Fabio Accurso, Laute
Bruce Dickey, Zink
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |