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Reviews

Mozart, W.A. (Cambreling)

La Clemenza di Tito (DVD)


Info

Musikrichtung: Wiener Klassik

VÖ: 27.02.2006

Opus Arte / Naxos (2 DVD (AD: 2005, live) / Best.Nr. OA 0942 D)

Gesamtspielzeit: 212:00

Internet:

http://www.opusarte.com

GENUSSVOLLE SCHWEINEREI

"Una porcheria tedesca" - "Eine deutsche Schweinerei", so das wohl berühmteste Urteil über Mozarts Oper "La Clemenza di Tito", das die Kaiserin Maria Lousia gleich nach der Uraufführung im Jahre 1791 fällte. Es erweist sich als grandioses Fehlurteil, wenngleich dieses Spätwerk des Salzburger Genies es bis heute schwer hat auf den Opernbühnen der Welt. Dies liegt jedoch eher am Sujet und der etwas zähen Dramaturgie des Textbuches, als an den musikalischen Qualitäten.
Wer diese entdecken möchte, wird nunmehr um den Mitschnitt der Aufführung aus der Opéra national de Paris kaum herumkommen. Sylvain Cambreling dirigiert einen quicklebendigen Mozart mit einem Maß an orchestraler Transparenz, wie es bei einem Live-Ereignis kaum je zu hören ist. Hier gebührt auch der Tontechnik ein besonderes Lob. So gerät dann etwa das Finale des ersten Aktes, das in so unnachahmlicher Weise die Brücke schlägt zwischen der aus dem "Don Giovanni" vertrauten Tonsprache und den großen Szenen der romantischen Oper des folgenden Jahrhunderts, zu einem wegen seiner gestalterischen Dichte und musikalischen Perfektion bewundernswerten Ereignis für sich.

Die Inszenierung von Ursel und Karl-Ernst Herrmann kommt mit einem sparsam-kühl ausgestatten, pastelligen Raum aus, betont also die Verinnerlichung der dramatischen Konflikte. Leider bewahrt sie dieser Ansatz nicht vor manch unsinnigem Regietheater-Budenzauber: Wieso Servilia als naiv-japanisches Schulmädchen daherkommen muss, erschliesst sich aus ihrer Rolle ebensowenig, wie die Geste des Titus, der zu Beginn seine Hände in Unschuld wäscht, nachdem er eine Hannibal Lecter-ähliche Fechtmaske abgelegt hat. Anderes mag zwar zum Libretto passen, erscheint aber doch arg plakativ, so z.B., wenn Vitellia zu Sestos Arie "Parto, tu ben mio" andächtig Kriegsbemalung auflegt...
Sieht man über diese Details hinweg, so überzeugt doch die Personenführung und das eindringliche Spiel der Akteure schafft es, den Zuschauer trotz des etwas trockenen Stoffs in den Bann der Geschichte hineinzuziehen.

Letzters verdankt sich dabei zuallererst der Kunst von Susan Graham, die in der (Hosen-)Rolle des Sesto stimmlich wie spielerisch brilliert. Allein ihre Gestaltung der zitierten Parto-Arie ist eine Klasse für sich. Hier gelingt es ihr, den emotionalen Umschwung des vor dem Verrat zuerst zurückschreckenden Sesto extrem plastisch zu machen. Der noch zurückhaltende Beginn, die zögernden Einschübe und schließlich der Durchbruch zur Entschlossenheit - die Binnendramatik dieser Arie kann man sich nicht perfekter gezeichnet vorstellen. Dies alles vollbringt Susan Graham mit einer warmen, auch in den Koloraturen geschmeidig-klangschönen und höchst beweglichen Mezzostimme.
Sestos Angebete, Vitellia, mimt Catherine Naglestad mit zickiger Biestigkeit und einer metallenen Stimme, der man die Gratwanderung zwischen Machtwillen und Hysterie jederzeit glaubt. Auch Hannah Esther Minutillo macht als Sestos Vertrauter Annio stimmlich eine gute Figur; allerdings mit einer Frisur, die es selbst unter Berücksichtigung altrömischer Haarmoden schwierig macht, hier den männlichen Freund wahrzunehmen.
Etwas polternd erscheinen die Auftritte von Roland Bracht als Publio. Christoph Prégardiens Titus wirkt - dem Regiekonzept entsprechend - eher blass, obschon in der Stimmführung souverän.

Die DVD wird abgerundet durch einen knapp einstündigen Filmbeitrag von Reiner E. Moritz, der die Hintergründe und Implikationen dieser Oper erhellt.
Insgesamt also ein überzeugendes Plädoyer für dieses noch immer unterschätzte Bühnenwerk Mozarts.



Sven Kerkhoff

Besetzung

Sesto: Susan Graham
Annio: Hannah Esther Minutillo
Vitellia: Catherine Naglestad
Servilia: Ekaterina Siurina
Publio: Roland Bracht
Tito: Christoph Prégardien

Orchester und Chor der Opéra national de Paris

Ltg. Sylvain Cambreling

Inszenierung: Ursel und Karl-Ernst Herrmann
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19 bis 20 Überflieger