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Live at St. Severin
Info
Musikrichtung:
Sakral-Klezmer
VÖ: 30.09.2005 (Pläne Pop / Sony BMG) Gesamtspielzeit: 57:09 |
“Zwei Religionen - eine Sprache“ steht unter dem Clear-Tray der CD des Juden Giora Feidman und des Christen Matthias Eisenberg - und damit ist die musikalische Sprache gemeint. Und so trafen sich in der St. Severinkirche in Keitum der Klarinettist Feidmann und der Organist Eisenberg um miteinander zu musizieren. Bach meets Klezmer könnte man das Ergebnis verkürzt umschreiben.
Bei drei Bachkompositionen agiert die Orgel alleine. Drei Mal hören wir nur Klarinette - bei “Shalom Chaverim“ vom Gemeindegesang begleitet. Sieben Mal begleiten sich die beiden Musiker gegenseitig. Ein Experiment, das seinen besonderen Reiz und Anspruch aus dem nicht immer ganz einfachen Auftreten Feidmanns gewinnt. Nicht immer funktioniert das Experiment. So zerdröhnt die Orgel den Mittelteil von “Rabbi Montenyu“. Bei “Kol Nidrei“ finden Orgel und Klarinette keine gemeinsame Sprache, sondern fallen sich vor allem zu Beginn eher gegenseitig ins Wort, während wir im Weiteren ein etwas konturloses, ruhiges Nebeneinander der beiden Instrumente erleben.
Experimentell gelungen wirkt dagegen die “Improvisation“, bei der eine manchmal „quietschende“ Bass-Klarinette von einer „schaukelnden“ Orgel begleitet wird. Dabei entsteht eine fast düstere und verlorene Jahrmarktsatmosphäre. Vor dem inneren Auge tut sich ein verlassener Rummelplatz in einer dunklen Sturmnacht auf.
Gelegentlich - z.B. bei der solo dargebotenen Eigenkomposition “Prayer“ - zerrt der Klarinettist erheblich an den Nerven des Hörers. Auf der anderen Seite stehen die tänzerischen Momente der Klezmermusik, die von Feidmann in der Regel nicht mit der Wildheit von Straßenfesten, sondern mit sensibler Sanftheit präsentiert werden, als wolle er in den „heiligen Hallen“ von St. Severin vorsichtig auftreten. Da gibt es wunderbare Momente, die für die CD eingefangen wurden.
Der Opener der CD enthält gleich beide Momente. Wunderschön dabei die vorsichtig tänzelnde Klarinette am Anfang. Wunderbar auch das folgende “Jesus bleibet meine Freude (BWV 147)“ in dem die sakral aufspielende Orgel von Feidmann sehr sanft mit dem Bassethorn begleitet wird.
Einen ganz eigenen Zug bringt das Gospel-Cover “Nobody knows the Trouble I've seen“ ein. Nach tänzerischem Klezmer und der sakraler Orgel kommt hier die Rhythmik stärker zum Zug. Eisenberg steigt dabei mit der Orgel massiv ein, zieht aber durchaus nicht alle Register; eine Beobachtung, die man auch bei der folgenden “Toccata und Fuge“ machen kann, die dieses Mal nicht in dem Fortissimo dargeboten wird, das man bei solchen Stücke gewohnt ist.
Weitere Highlights sind das besinnlich dargeboten “Donna Donna“, das zweite Stück mit Gemeindegesang, dieses Mal von Orgel und Klarinette begeleitet wird; das ruhige Orgelstück “Wenn wir in höchsten Nöten sein (BVW 641)“ und der Anfangsteil von “Rabbi Montenyu“. Hier deutet die Klarinette den Klezmer eher an, während die Orgel dazu „den Bass zupft“.
Trackliste
1 | Shabbat | 4:17 |
2 | Jesus bleibet meine Freude (BWV 147) | 3:27 |
3 | The Place (Ora bat Chaim) | 4:28 |
4 | Fantasia in G (BWV 542) | 5:21 |
5 | Prayer | 3:21 |
6 | Shalom Chaverim | 2:02 |
7 | Nobody knows the Trouble I've seen | 2:31 |
8 | Toccata und Fuge in D (BWV 565) | 7:52 |
9 | Kol Nidrei | 8:04 |
10 | Donna Donna | 2:28 |
11 | Improvisation | 6:08 |
12 | Wenn wir in höchsten Nöten sein (BVW 641) | 2:09 |
13 | Rabbi Montenyu | 4:53 |
Besetzung
Matthias Eisenberg (Mühleisen-Orgel der St. Severinkirche, Keitum/ Sylt)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |