Reviews
Extinction Sounds
Info
Musikrichtung:
World Music/Chamber Jazz-Fusion/Avantgarde
VÖ: 15.11.2024 (Elvesang) Gesamtspielzeit: 37:05 Internet: https://www.sigurdhole.no/ https://elvesang.no/ https://www.martinaweinmar.de/ |
2022 stellte ich vom norwegischen Bassisten Sigurd Hole seine Platte Roraima vor. Für mich war dieses Werk "eine Suite, die fesselt, die eigentlich ganz enspannt fließt, aber auch durch ihre Ecken und Kanten Raum bietet für Passagen der Spontaneität", es wirkte für mich wie eine Art Gebet.
Neben Hole ist bei der neuen Veröffentlichung nur noch Cellistin Tanja Orning dabei, Extinction Sounds wurde live eingespielt, "in concert at Tynset Kulturhus on October 21st, at “TronTalks 2023” (1st performance)". Bei all seinen Plattenveröffentlichungen hatte der Protagonist eine ganz besondere Ausdrucksweise vorgestellt, geprägt von norwegischer Volksmusik und im Verbund mit der Natur, und so fanden Folklore, Jazz und klassische Musik ein gemeinsames Zuhause und stets wirkte die Musik wie ein kleines Kunstwerk.
Und so ist es mit der neuen Veröffentlichung nicht anders. Die aus meiner Sicht auch wichtige Rolle des Saxofonisten übernahm anstelle von Trygve Seim nun Torben Snekkestad. Doch nicht wie im Jazz wird das Saxofon in den Vordergrund gestellt, sondern es integriert sich in dieses dichte Klanggeflecht sämtlicher Instrumente. Die Kompositionen wurden inspiriert durch einen Aufenthalt in der Natur, rund um den Ort Gammelsætra in Norwegen. Auch hier handelt es sich um eine Auftragsarbeit, in Auftrag gegeben vom Festival TronTalks 2023 in Tynset/Alvdal, Norwegen. Die Arbeit soll auf lebendigen sensorischen Kindheitserinnerungen des Komponisten als konzeptionellem Rahmen basieren, inklusive in der Natur vorkommender Geräusche wie der Ruf eines Vogels und so weiter.
Somit, wenn ich dieses berücksichtige, unter dem Aspekt der Natur, die uns Alle umgibt, komme ich der recht kompliziert wirkenden Musik ein Stückchen näher, werde ich doch mit all meinen Sinnen gefordert und muss sehr aufmerksam sein, so, als befände ich mich mitten in einem Wald, an der See oder überall dort, wo Natur ihre Vielfältigkeit spielen läßt. Das bedeutet eben, dass man stets gefasst sein muss, dass es neben schönem Wetter auch einmal ein Unwetter geben kann.
Diese Gegensätze wirken sehr inspirierend, auch hier wirkt die Musik aller acht Songs wie ein einziges Stück, eine Suite, mal präsentiert sich eine minimalistische Stille, tupfende Geräusche bringen sich ein, eine mitunter geheimnisvoll wirkende Atmosphäre, die durchaus auch sehr düster sein kann, manchmal auch recht bedrohlich, Dunkelheit steht neben Taghelligkeit, hier empfängt man keine klar vorgegebenen Strukturen, keine typischen Taktmuster, keine straffen Arrangements, eigentlich ist alles frei fließend und frei, ohne wirr zu wirken. Denn dazu besitzt diese angestrebte Umsetzung von Natur klare Vorgaben, natürlich sozusagen, und darauf muss man sich einlassen, auf diese mitunter ausstrahlende Zerrissenheit, die uns Menschen doch auch oft genug innewohnt.
Und so mag man sich, je näher man der Musik kommt, vielleicht auch ein wenig selbst entdecken darin und dann den Zugang auch rasch finden. Einerseits mag das Gehörte sehr avantgardistisch wirken, aber ohne deren oft vorherrschende Künstlichkeit, hat Sigurd Hole sozusagen ein Spiegelbild der Seele erschaffen, im Einklang mit der Natur? Selbst führt er aus im Innenteil der Verpackung zu seinen Eindrücken: "The first thing I notice when I wake up is the smell of flowers. Next, I hear the tinkling of sheep bells and a continuum of buzzing insects, varying in pitch and intensity." Später erklärt er zum Titel der Platte: "The title also reflects the extinction crisis and loss of biodiversity world-wide." Also, die Krise des Aussterbens der Natur und der Verlust der Artenvielfalt weltweit, und das kann sicherlich auf viele Situationen des Lebens angewandt werden...
Trackliste
2 Whispers of air and dus
3 Ghostly glow
4 Four rooms
5 Patchworks
6 Mountain stream
7 Leaves never fall in vain
8 Remnants of an old pastorale
Besetzung
Torben Snekkestad (saxophones and trumpet)
Sara Övinge (violin)
Bendik Bjørnstad Foss (viola)
Tanja Orning (cello)
Anders Kregnes Hansen (marimba and percussion)
Veslemøy Narvesen (drums and percussion)
Sigurd Hole (double bass)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |