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Reviews

Opprobrium

Serpent Temptation – The Alternate Version


Info

Musikrichtung: Death /Thrash Metal

VÖ: 13.10.2023 (1988/96)

(High Roller)

Gesamtspielzeit: 37:37

Internet:

http://www.facebook.com/opprobriumofficial
http://www.hrrecords.de

Wenn man als Band einen Namen wählt, den später noch eine andere Band wählte und unter diesem zu großer Popularität gelangte, kann das in der Nachbetrachtung sowohl positive als auch negative Folgen zeitigen. Diesen Fall haben wir unlängst bei Survivor betrachtet – die hier vorliegende Konstellation ist allerdings nochmal deutlich komplexer.
Als die Brüder Francis (g) und Moyses Howard (dr) von Rio de Janeiro in die US-Südstaaten zogen, gründeten sie 1986 dort eine Band namens Incubus, vermutlich nicht ahnend, dass einige Jahre zuvor eine englische Formation bereits den gleichen Gedanken gehabt hatte und anno 1984 die LP To The Devil A Daughter herausbrachte, allerdings schnell wieder in der Versenkung verschwand. Mit Scott Latour als Bassist und Sänger brachten die beiden Brasilianer als Incubus ihr Debütalbum Serpent Temptation heraus – parallel gründeten aber auch zwei bei Morbid Angel gegangene Musiker eine Band namens Incubus und veröffentlichten ein Drei-Track-Demo. Letztgenanntes Duo zerstreute sich aber bald wieder, und auch die Exilbrasilianer standen bald wieder nur zu zweit da, woraufhin Francis sich auch ans Mikrofon stellte und Mark Lavinia neuer Bassist wurde. Dieses neue Trio veröffentlichte 1990 den Zweitling Beyond The Unknown, wurde dann in den Neunzigern während einer Phase nur sporadischer eigener Aktivität aber mit dem Auftauchen einer bald sehr bekannt gewordenen Nu-Metal-Formation namens Incubus konfrontiert, die trotz der Tatsache, dass sie diesen Namen erst viel später wählten, im Streitfall wohl die Rechte am Namen zugesprochen bekommen hätten, so dass Francis und Moyses, die wieder einmal allein dastanden, ihre Formation 1999 in Opprobrium umbenannten.
Bereits 1994 aber hatten die Howard-Brüder beschlossen, Serpent Temptation erneut einzuspielen, nun allerdings nur in Duobesetzung mit Moyses an den Drums und Francis als Verantwortlichem für alles andere. Allein aufgrund des anderen Sängers muß die letztlich 1996 mit dem Zusatz The Alternate Version veröffentlichte Neufassung anders klingen als das Original – schon Matthias Herr hatte auf die gesanglichen Unterschiede auf den beiden Incubus-Alben hingewiesen. Obwohl die Neufassung im gleichen Studio aufgenommen wurde, wo das 1988er Original seinen Mix erhielt, ist die dortige Technik natürlich fortgeschritten. Eigentlich ist es in diesem Absatz aber gar nicht gerechtfertigt, im Plural von den Musikern zu sprechen: Laut den Quellen wurde das Drumming nicht neu eingespielt, sondern nur Saiteninstrumente und Gesang, so dass eigentlich nur Francis kreative Studioarbeit zu leisten hatte.
Das Wichtigste ist aber der grundsätzliche Stil. Waren die alten Incubus noch deutlicher im Death Metal zu verorten, schieben die Howards trotz grundsätzlich identischer Songstrukturen auf den beiden Albumfassungen den Gesamtmix ein wenig stärker in Richtung Thrash und landen letztlich relativ genau zwischen diesen Lagern. Klar, sie kennen offenkundig das Schaffen ihrer großen Landsleute Sepultura, lassen das aber nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihr eigenes Werk einfließen. Immer wieder mischen sich längere groovige oder gar schleppende Passagen ins Geschehen, bevor Moyses dann aber auch oft und gern herzhaft Tempo macht. Diese Dichotomie läßt sich bereits im Opener „The Battle Of Armageddon“ schön verfolgen, der ein für Opprobrium-Verhältnisse langsames Intro bietet, bevor das Duo dann doch schnell klarmacht, wo der Hase hier planmäßig entlanglaufen soll. Aber auch „Indulgence“ oder „Abductions“ kommen mit solchen temporeduzierten Passagen daher, in letzterem zwischenzeitlich fast in traditionellen Metal umschlagend, später aber mit einigen eigenartigen Rhythmusverschiebungen aufwartend und das herzhafte Geprügel ringsumher wirkungsvoll kontrastierend und auflockernd. „Prophets“ wiederum gehört zu den Nummern, wo gleich von Anfang an der Tempomat weit oben steht – aber auch hier dauert es keine Minute, bis sich breit gelagertes Midtempo einmischt, das später bei der ersten Beschleunigung unwirklich beschwingt daherkommt und zudem unauffällig ein paar Melodieelemente einschmuggelt, die diverse in Göteborg ansässige Formationen ebenfalls hätten übernehmen können (wir befinden uns im Jahr 1994 bzw. 1996, wohlgemerkt!). Solche Momente besitzen allerdings Seltenheitswert – Francis war und ist bei Incubus und Opprobrium immer gitarristischer Alleinunterhalter und hält sich von der Übernahme von Elementen aus dem klassischen Melodic Metal oder gar doppelstimmigen Riffs oder Melodien fern. Seine Soloarbeit stammt statt dessen aus der flitzefingerigen Classic-Thrash-Schule der Marke Slayer – und ist es Zufall, dass fast alle Leadpassagen mit Geprügel unterlegt sind und fast keine mit anderen Tempolagen? Sicher nicht – auch „Prophets“ bricht nach mannigfachen Midtempovariationen nach hinten heraus nochmal aus, und zwar justament im Hauptsolo.
Ansonsten legt Francis sein Augenmerk aber auf die Riffarbeit und evoziert dort einige interessante Ideen. Dass diese in den schleppenderen oder midtempolastigen Passagen stärker zur Geltung kommen als im Geprügel, liegt in der Natur der Sache, und so verwundert es nicht, dass „Hunger For Power“ diesbezüglich am stärksten auffällt, da die Nummer für mehr als drei Minuten in Midtempogefilden verbleibt, auch das schnelle Stakkato noch Platz für breit ausschwingendes Riffing läßt und selbst der ausgedehnte prügelige Zwischenpart diesbezüglich immer noch zu den eindringlichsten Momenten auf dem Album zählt. Der Titeltrack bietet gleichfalls wieder ein langes Midtempo-Intro, garniert aber mit ein paar ungewöhnlichen Rhythmusverschiebungen, ehe wieder Lichtgeschwindigkeit aufgefahren wird. Das Resultat erinnert ein wenig an Asphyx und an Mortification, also zwei Formationen mit gleichfalls reduzierter Besetzung, und dass letztere ihre Spuren im Sound der brasilianischen Emigranten hinterlassen haben, verwundert ganz und gar nicht, schließlich teilt man auch den christlichen Glauben, auch wenn Incubus ihre Botschaften auf der Originalfassung von Serpent Temptation nur sehr peripher an den Mann brachten, so dass Matthias Herr, der eigentlich ein Gespür für religiöse Anwandlungen hat, in der Zweitauflage des ersten Bandes seines „Heavy Metal Lexikons“ „Horror- und Grusellyrik“ diagnostizierte. Das freilich hat sich mit der Neueinspielung geändert: Nicht nur fünf der acht Songtitel sind neu, sondern auch gute Teile der Texte, und die christliche Perspektive kann man jetzt deutlicher erkennen. Möglicherweise war das sogar einer der Hauptgründe für die Neueinspielung – die Howards konnten oder wollten nicht mehr hinter den Texten des Debüts stehen. Wenn dem so war, geben sie es in den Liner Notes des Re-Releases freilich nicht zu, wo sie rein musikalische Gründe für die Neufassung anführen.
Wie dem auch sei: Mit „Curtains Closed“ und abermals dem typischen Mix aus Lichtgeschwindigkeit und einem großen Zentralbreak mit fast klassischem Metal endet diese Neueinspielung, die ihrerseits schon lange vergriffen war und von High Roller Records nunmehr remastert neu aufgelegt wird, im Pappschuber und mit Posterbeilage des Coverartworks, das Kristian Wahlin anno 1994 gemalt hat und das die titelgebende Situation in völlig anderer Bildsprache, aber identischer Aussage transportiert, wobei man hinter dem neuen optischen Stil auch eine Gothic-Metal-Formation erwarten könnte. Nur darf man halt strukturell nicht verwirrt sein: Auf der 1996er Scheibe prangt noch das Incubus-Logo, die bis auf das Remastering musikalisch identische 2023er Pressung zeigt das Opprobrium-Logo auf dem Wahlin-Cover. Wie auch immer: Da weder die 1988er noch die 1996er Scheibe noch auf halbwegs normalem Wege aufzutreiben sein dürften, bietet der Re-Release die Gelegenheit, die eine oder andere Sammlungslücke zu schließen – und wer vergleichen will: Die 1988er Fassung gibt es aktuell bei High Roller ebenfalls als Re-Release.



Roland Ludwig

Trackliste

1The Battle Of Armageddon5:56
2Unseen Bereavement3:23
3Indulgence4:50
4Abductions4:08
5Prophets5:24
6Hunger For Power5:31
7Serpent Temptation3:36
8Curtains Closed4:42

Besetzung

Francis M. Howard (Voc, Git, B)
Moyses M. Howard (Dr)
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger