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Reviews

Chalice

Trembling Crown


Info

Musikrichtung: Progressive Metal

VÖ: 11.12.2020

(High Roller)

Gesamtspielzeit: 49:56

Internet:

http://www.hrrecords.de
http://www.facebook.com/ChaliceFIN

William Blakes „The Number of the Beast is 666“ als Coverartwork könnte für wüsten Black Metal sprechen, aber Bruce Dickinsons Blake-Konzeptwerk The Chemical Wedding enthielt auch keinen solchen. Sieben Songs auf knapp 50 Minuten könnten wiederum Doom vermuten lassen, zumal das Booklet viel mit der Grundfarbe Schwarz arbeitet und die vier allesamt bärtigen Bandmitglieder vor einer Tapete mit vegetabilen Motiven abgebildet sind.
Von solchen Überlegungen geleitet wirft man das Chalice-Debütalbum Trembling Crown in den Player – und erlebt diverse Überraschungen, so dass sämtliche bisher getätigten Überlegungen in die Irre führen. Statt dessen hat man in den kollektiven Danksagungen mittlerweile Brocas Helm (als einzige explizit genannte Band) entdeckt und außerdem noch die Widmung „Neil Peart for his lifelong contribution for music and poetry“. Und siehe da, Trembling Crown klingt tatsächlich, als würden Rush plötzlich Kauz-Metal im Stile von Brocas Helm spielen. Drummer Olli Törrönen pendelt zwischen geradlinigen Beats, dem im Epic Metal nicht selten anzutreffenden leicht polternden Stil und ein paar absonderlichen Rhythmen, wie sie auch The Professor hätten einfallen können. Dazu schalten die beiden Gitarristen Verneri Pouttu und Mikael Haavisto gerne auf Halbakustik zurück, wobei sie das große Konzertgitarrensolo im Titeltrack allerdings dem Gastmusiker Ville Valtonen überlassen, der außerdem ein paar zusätzliche Keyboards und Backing Vocals beigesteuert hat. Metallisch-kernig Druck machen können die Sechssaiter aber natürlich auch, wobei hier wiederum der oftmals recht „dreckige“ Gitarrensound auffällt, der bewußt einen gewissen Schleier über das Material legt und diesen nur an bestimmten Stellen durchbricht, wenn konkrete Schärfe verlangt wird. „Hunger Of The Depth“ wiederum fährt lange Zeit doomkompatible Gitarren auf, braucht aber vier Minuten temposeitig höchst vielseitiger Entwicklung, bis der lange erwartete große Doompart dann doch noch kommt und die fetten Gitarren noch mit Akustikgitarren, später Celloklängen und noch später pfeifenden Keyboards und erzählenden Vocals ergänzt. Bis dahin hat man den erwähnten Titeltrack mit seiner ungewöhnlichen Struktur – nach dem langen Instrumentalteil folgt keine Wiederkehr einer Strophe oder zumindest des Refrains, und die spacigen Sounds ganz am Ende hätte auch jede Spacerockband mit Kußhand übernommen – und den grundsätzlich relativ zügigen, aber gleichfalls tempovariablen Opener „Night’s Hands“ hinter sich, das Instrumental „Karkanxholl“ aber vor sich, das an Position 4 das Album in zwei Teile gliedert und mit seinem grundsätzlich etwas rock’n’rolligeren Grundansatz auch stilistisch für einen kleinen Umschwung sorgt – die hintere Hälfte des Albums ist nämlich zum einen etwas kompakter arrangiert, zum anderen auch rhythmisch etwas geradliniger ausgefallen, auch der Closer „Stars“, der es nochmal auf fast zehn Minuten Spielzeit bringt. Das heißt natürlich nicht, dass Törrönen nicht auch in dieser zweiten Albumhälfte gelegentlich Ungewöhnliches spielt, wie „Wings I’ve Known“ deutlich macht – aber sowas wie der Quasi-Gothic-Rock-Hit „The Key“ wäre in der vorderen Albumhälfte noch nicht denkbar gewesen.
Zu erörtern ist des weiteren der Gesang. Verneri Pouttu übernimmt neben der einen Gitarre auch den Leadgesang, kommt aber gar nicht so häufig zu Wort – die Arrangements sehen des öfteren lange Instrumentalparts vor. Seine normale Stimmlage scheint ein ganz leicht nasaler, halbhoher Cleangesang zu sein, von der Grundanlage her Geddy Lee nicht unähnlich, aber mit einer ganz anderen Stimmfärbung als dieser und generell auch tiefer gelegt. In „Hunger Of The Depth“ kommen aber gleich zwei völlig andere Vokalstile zum Einsatz, zum einen der schon erwähnte erzählende Gestus am Ende, zum anderen aber ein tiefer gothic-kompatibler Klargesang im vorderen Teil. Ob das auch alles Pouttu ist oder hier jemand anders mitmischt, läßt sich für Menschen, die nicht näher mit der Band vertraut sind, nicht ergründen. Jedenfalls zeichnet Joni Petander außer für den Baß auch für die Backing Vocals zuständig, und neben dem schon erwähnten Ville Valtonen zählt das Booklet unter „Additional backing vocals“ auch noch Haavisto, Törrönen und Jemina Pouttu auf, letztgenannte offensichtlich irgendwie familiär mit dem Leadvokalisten verbandelt und im Titeltrack, in „Stars“ sowie in „The Key“ aktiv. Dass sich Chalice keine Grenzen auferlegen lassen, beweisen sie in „Wings I’ve Known“, wo in der Bridge Vocals vorkommen, die in klassischer Achtziger-Pop-Manier verzerrt wurden, wofür Epic-Metal-Puristen die Band steinigen würden und was es selbst bei Rush in dieser Form kaum mal zu hören gab. Dass allerdings auch die vier Finnen in der alten Schule verwurzelt sind, zeigt der Umstand, dass sie in ganz klassischer Manier im Booklet in den Texten angeben, wer dazwischen welches Solo spielt – in „Stars“ darf auch der Basser mal entsprechend nach vorn treten. Diese epische Nummer schließt Trembling Crown auf sehr hohem Niveau ab, wobei Törrönens ungewöhnliche Drumelemente hier zumindest vor dem Finale etwas dezenter eingemischt sind als in der vorderen Hälfte, wodurch der bereits beschriebene Eindruck verstärkt wird, die hintere Hälfte des Albums enthalte weniger dieser Elemente. Hört man Trembling Crown in der „falschen“ Stimmung, kann einem der eigenwillige Ansatz der Band und speziell das Drumming auch ganz gehörig auf die Nerven gehen, und da rettet dann auch das geradlinige „The Key“ nicht mehr, ebensowenig wie der eine oder andere durchaus merkfähige Refrain. Läßt man sich dagegen mit voller Konzentration auf den ungewöhnlichen Soundkosmos der Band ein und kann grundsätzlich was mit Progressive Metal anfangen (idealerweise auch mit Rush und Brocas Helm), könnte Trembling Crown hingegen eine faszinierende Klangwelt aufschließen. Dass „Stars“ nach einem späten komplex-wilden Höhepunkt noch mit einer halben Minute melodischem Ausplätschern unter geradlinigem Viererbeat abschließt, unterstreicht den ungewöhnlichen Ansatz der Band ein finales Mal, paßt aber irgendwie perfekt ins Bild.



Roland Ludwig

Trackliste

1Night’s Hands7:53
2Trembling Crown7:29
3Hunger Of The Depth8:51
4Karkanxholl5:17
5Wings I’ve Known6:19
6The Key4:50
7Stars9:14

Besetzung

Verneri Pouttu (Voc, Git)
Mikael Haavisto (Git, Keys)
Joni Petander (B)
Olli Törrönen (Dr)
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger