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Reviews

Ronnie Atkins

Make It Count


Info

Musikrichtung: Melodic Metal

VÖ: 18.03.2022

(Frontiers)

Gesamtspielzeit: 54:16

Internet:

http://www.frontiers.it
http://www.facebook.com/RonnieAtkinsOfficial

Als anno 2019 bei Paul Christensen Lungenkrebs diagnostiziert wurde, schien die Karriere des Mannes, der unter dem Pseudonym Ronnie Atkins fast vier Jahrzehnte am Mikrofon der Pretty Maids gestanden hatte, am Ende angelangt zu sein – für einen Sänger ist diese Krebsform schließlich eine der problematischsten überhaupt. Aber der Däne konnte erfolgreich behandelt werden und hatte zudem das „Glück“, dass die Pandemie ab 2020 sowieso erstmal alle Bandaktivitäten ausbremste. Den Kopf in den Sand steckte er jedenfalls nicht, sondern tat sich mit dem Gitarristen Chris Laney zusammen und begann mit der Produktion von Solowerken. Im Zeitraum von 2021 bis 2023 entstanden derer gleich fünf, davon drei volle Studioalben und zwei EPs mit Akustik- bzw. orchestriertem Material. Der Rezensent besitzt von diesen Werken nur das zweite Studioalbum Make It Count, kann also keine Vergleiche ziehen oder etwaige Entwicklungslinien nachzeichnen.
Naturgemäß wird jedes Atkins-Soloalbum automatisch daraufhin abgeklopft, ob es auch als Pretty-Maids-Album hätte erscheinen können – dass der alte Kämpe einen völlig anderen Stil fahren und plötzlich mit Blues, Eurodance oder Death Metal um die Ecke kommen würde, davon dürfte niemand ernsthaft ausgegangen sein, zumal man ja auch Laney aus dem AOR- und dem Melodic-Metal-Sektor kennt. Zwar werden elf der zwölf Tracks von Make It Count allein Atkins als Komponist und Texter zugeschrieben und nur „Blood Cries Out“ als Gemeinschaftswerk mit Laney, aber letzterer bekommt die Credits als Produzent und Arrangeur, hat also am Kreativprozeß einen ähnlich großen Anteil wie Atkins selbst, zumal er auch noch Gitarre und hier und da Keyboards spielt. Also dürfte auch sein Background massiv in die 54 Minuten Musik eingeflossen sein – und dann sind da noch Morten Sandager und Allan Sörensen, mit denen Atkins bei den Pretty Maids einst die Bühne teilte. Sörensen zeichnet für die kompletten Drums auf der Scheibe verantwortlich, Sandager spielt in acht der zwölf Songs Keyboards, also drücken beide Make It Count gleichfalls ihren Stempel auf, und Sandager tut das nicht etwa in der Richtung, dass er Reminiszenzen an seine alte Band Mercenary hervorruft.
Aber eins fällt doch auf: Trotz aller Gediegenheit des Melodic-Metal-Ansatzes sind tatsächlich ein paar Nummern enthalten, die mehr metallische Grundhärte aufweisen als das meiste, was von den Pretty Maids seit den späten Achtzigern veröffentlicht worden ist. Schon der Opener „I’ve Hurt Myself (By Hurting You)“ kann als diffuser Fingerzeig in diese Richtung gedeutet werden, bleibt aber zunächst im althergebrachten Bereich, während „Unsung Heroes“ mit seinen verschobenen Rhythmen fast ein wenig am Progbereich kratzt. Aber „Rising Tide“ kracht dann doch phasenweise ziemlich ins Gebälk, und vor allem das bereits erwähnte „Blood Cries Out“ erweist sich als massiver sinfonisch angehauchter Metal-Brocken. Dazwischen lagert aber auch immer wieder Stoff, der den Melodic-Metal-Bereich eher in Richtung Melodic Rock ausdehnt, etwa „Grace“, „Easier To Leave (Than Being Left Behind)“ oder „Remain To Remind Me“. Die angeproggte Schiene findet ihre Fortsetzung in Teilen von „Fallen“, auch wenn die erste Strophe ein wenig zu bemüht wirkt, und macht sich auch andernorts latent durch einige ungewöhnliche Drumrhythmen etwa in „All I Ask Of You“ bemerkbar. Mit „Let Love Lead The Way“ ist zudem ein Song vertreten, bei dem man allein schon aufgrund des Titels vermutet, dass das die Ballade der Scheibe sein dürfte – und man findet die Vermutung bestätigt und hört eine Nummer, die sich würdig in den Kanon der klassischen Power-Balladen einfügt, den viele Stilgefährten der Pretty Maids seit den Achtzigern entwickelt haben. Auch wenn wie für diesen Sektor typisch die Härte in Richtung Finale zunimmt, fällt die Kontrastwirkung, danach „Blood Cries Out“ losbrechen zu lassen, immer noch sehr groß aus, zumal hier noch ein spacig-düsteres Keyboardintro Sandagers kommt, ehe Laney großes finsteres Riffing auspackt und auch Sörensen Tempo machen darf, knapp unter der Speedgrenze landend.
Neben den bisher erwähnten Musikern ist noch das Augenmerk auf John Berg zu richten, der das Gros der Leadgitarren in heldischer Manier eingespielt hat. In jeweils einem bis zwei Songs hören wir an den Sechssaitigen außerdem noch Oliver Hartmann, Anders Ringman, Lasse Wellander und Pontus Norgren, also hauptsächlich Schweden, und auch für die Backing Vocals haben Atkins und Laney mit Linnea Vikström eine Schwedin rekrutiert. Die alles entscheidende Frage ist aber: Wie schlägt sich Atkins am Mikrofon? Klar, man hört dem Mann an, dass er keine 20 mehr ist – aber was er abliefert, das hat immer noch Hand und Fuß und überzeugt auch in den gewählten Tonlagen ohne Wenn und Aber. Und wüßte man nicht, dass hier einer singt, der noch vor kurzem Lungenkrebspatient war, man würde dem Überbringer dieser Information möglicherweise nicht glauben. Wie er da im balladesken ersten Teil des abschließenden Titeltracks scheinbar mühelos nach oben gleitet, das kriegen viele Jüngere und Gesündere so nicht hin. Nach zweieinhalb Minuten schlägt dieser Song in einen unwiderstehlich vorwärtsmarschierenden Metalpart um, der in Verbindung mit dem Cover, das den gealterten Vokalisten mit einer Sanduhr zeigt, und dem Text offenbar klarmachen soll, dass der Sänger sich selbst noch lange nicht am Ende der Fahnenstange sieht, sondern entschlossen ist, aus seinen noch verbliebenen hiesigen Sandkörnern alles nur Mögliche herauszuholen. Und das hat Atkins ja dann auch schon in die Realität umgesetzt, denn seit Make It Count sind die Symphomaniac-EP und das nächste Full-Length-Werk Trinity erschienen. Wenn die anderen Soloarbeiten die Qualitäten von Make It Count halten können, macht der Freund gediegenen Melodic Metals mit dem Erwerb also nichts falsch – und der Pretty-Maids-Anhänger auf der Suche nach einer „Ersatzdroge“ für fehlendes Neu-Schaffen seiner Faves sowieso nicht.



Roland Ludwig

Trackliste

1I’ve Hurt Myself (By Hurting You)5:21
2Unsung Heroes4:18
3Rising Tide4:43
4Remain To Remind Me3:54
5The Tracks We Leave Behind4:28
6All I Ask Of You4:13
7Grace3:25
8Let Love Lead The Way5:16
9Blood Cries Out4:19
10Easier To Leave (Than Being Left Behind)3:42
11Fallen4:47
12Make It Count5:42

Besetzung

Ronnie Atkins (Voc)
Chris Laney (Git, Keys)
John Berg (Git)
Morten Sandager (Keys)
Pontus Egberg (B)
Allan Sörensen (Dr)
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
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19 bis 20 Überflieger