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Reviews

Elgar, E. (McCreesh, P. – Gabrieli Roar u.a.)

The Dream of Gerontius


Info

Musikrichtung: Spätromantik / Oratorium

VÖ: 03.05.2024

(Signum / Note 1 / 2 CD / DDD / 2023 / SIGCD 785)

Gesamtspielzeit: 95:14

DIE LETZTEN DINGE IM ORIGINALKLANG

Edward Elgars im Jahr 1900 uraufgeführtes Oratorium „The Dream of Gerontius“ ist gewiss eines seiner Hauptwerke und zugleich ein Stück religiös inspirierte Musik, das heute auf äußerst ambivalente Weise berührt: Diese auf einem stark gekürzten Gedicht von Kardinal Henry Newman beruhende „Jenseitsreise“ eines Sterbenden widmet sich mit drei Solist:innen sowie einem riesigen Chor- und Orchesteraufgebot den „Letzten Dingen“ nach römisch-katholischer Lehre.
Dafür bringt der Konvertit Newman alles aufs lyrische Podium, was dazugehört: Ein von Schuld- und Verdammnisängsten geplagten alter Mann namens Gerontius (nomen est omen), der seinen Frieden mit Gott machen will, bevor er in die Ewigkeit eingeht, wo ihn diverse Engelchöre, schreckliche Dämonen und die armen Seelen im Fegefeuer erwarten.
Gott bleibt zwar hinter den Kulissen, darf sich aber in seiner letztrichterlichen Majestät äußern, zumindest mit einem knalligen musikalischen Effekt, der den Blitzstrahl seiner Herrlichkeit illustriert. Worauf der zutiefst erschütterte Gerontius den Läuterungsort aufsucht, um hernach – hoffentlich – seinen Platz unter den Seligen einzunehmen.

Das alles wurde von Elgar in einem alle tondichterischen Register ziehenden gewaltigen Tongemälde in wagnersicher Manier aufs Notenpapier gebannt, und zwar „A. m. D. g.“ – „Ad maiorem Dei gloriam – zur größeren Ehre Gottes“, wie der katholische Komponist unter der Partitur notierte. Ob der von schweren Depressionen und Suizidgedanken geplagte Elgar in dem Werk Trost gefunden hat oder ob er lediglich einen krankheitsbedingten Schuldwahn in christlich-katholischer Überhöhung ausagiert hat, darüber kann man spekulieren.
Die Uraufführung des Werks war im Übrigen ein Reinfall, weil die Ausführenden an der anspruchsvollen Partitur scheiterten. Auch forderten protestantische Kreise in England eine Revision des Librettos und die Tilgung allzu katholischer Elemente. Erst eine deutsche Aufführung 1901 in Düsseldorf brachte den Durchbruch.

Nunmehr hat sich Paul McCreesh mit seinen diversen Gabrieli-Ensembles und des Polish National Youth Choir des frommen Riesenbaus angenommen und zwar auf den Instrumenten der Entstehungszeit. Darmsaiten und schlank disponierte Bläser sorgen für einen durchlichteten, transparenten und zugleich strahlkräftigen und großen Klang. Da fügt sich die britische wie polnische Gesangs- und Chorkultur perfekt ein. Nichts wabert und wogt im Ungefähren. Elgars Musik tritt in schöner Klarheit zu Tage, in der Art eines lichtdurchfluteten romantisch-gotischen Kathedralbaus, belebt mit Szenen wie von Gustav Doré ersonnen.
Auch die Solisten, allen voran Nicky Spence als Gerontius, machen ihre Sache sehr gut. Musikalisch also ereignet sich die Interpretation dieses weltanschaulich und theologisch heiklen Opus auf der himmlischen Seite.
Ob das Werk in den Ohren des Allerhöchsten – so er denn welche hat – Gnade findet, bleibt bis zum Jüngsten Gericht abzuwarten.



Georg Henkel

Besetzung

Anna Stephany, Nicky Spence, Andrew Foster-Williams

Polish National Youth Choir
Gabrieli Roar
Gabrieli Consort & Players

Paul McCreesh, Leitung
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