Reviews
Who Killed AI?
Info
Musikrichtung:
Electro/Jazz-Fusion
VÖ: 12.04.2024 (Mack Avenue) Gesamtspielzeit: 35:18 Internet: https://www.kennygarrett.com/ http://www.mackavenue.com/ https://www.martinaweinmar.de/ |
Lese ich den Namen Kenny Garrett, so, keine Frage, bin ich gedanklich sofort beim Jazz. Der 1960 geborene Saxofonist spielte einige Zeit im Orchester von Duke Ellington, ferner musizierte er mit den Trompetern Freddie Hubbard und Woody Shaw und war auch Mitglied der wichtigen Schule der Jazz Messengers des Drummers Art Blakey. Einen noch höreren Bekanntheitsgrad brachte ihm jedoch die Zusammenarbeit mit Miles Davis ein. Mit "Introducing Kenny Garrett" erschien 1984 das erste eigene Album.
Seine letzte Solo-Aktivität war 2021 das Album Sounds From The Ancestors, Musik, mit der er die reiche Tradition aus Afrika und Kuba mit jener Entwicklung in den USA mit Gospel, R&B und Jazz behutsam und geschmeidig verknüpfte. Und mit seinem aktuellen Album verknüpft er schon wieder, doch nicht allein, denn gemeinsam mit Mikhail Tarasov, der unter dem Künstlernamen Svoy agiert, hat er sich einen in den USA ansässigen russischen Künstler hinzugezogen, einen Künstler, der sich im Bereich der elektronischen Musik bewegt, und das auf bereits sieben Alben belegt hat.
Die Beiden stellen die Frage Who Killed AI?, also geht es wohl darum, wer die künstliche Intelligenz tötete. Nun, wenn sie verstorben ist, dürfte uns demnach Musik erwarten, die eine weitere Stufe einer Entwicklung darstellt, oder? Wie man erfährt, wurden diese sieben Songs ganz spartanisch aufgenommen, im Wohnzimmer, ein Computer wurde installiert, ein Mikrofon und los ging es dann wohl. Insofern dürften wir auf eine Summe von Erfahrungen stoßen, die Musik vereint, bevor es künstliche Intelligenz gab sowie jene Zeitspanne, wo sie die Welt beherrschte.
Und bereits beim zweiten Song, "Miles Running Down AI", scheint das wohl eine Anspielung auf Miles Davis und seinen Song "Miles Runs the Voodoo Down" zu sein, allerdings viel heftiger und schneller, jedoch unabhängig davon atmet der Song eben jenen experimentieren Davis zur Zeit von Alben wie "Bitches Brew", "Get Up With It" oder "Agharta". Wild und ungezügelt erhebt sich Garrett über einem ständig brodelnden und überbordend wirkenden Soundteppich, in den dann plötzlich solche Klänge einer Marimba eingeflochten werden und ebenfalls Anteile einer Zeit vor AI widerspiegeln. Aber auch bereits der Auftaktsong "Ascendence" scheint eine Reminiszenz an Miles Davis zu sein, hört man hier doch Anleihen an einen seiner Songs, "Wrinkle", einst zu hören auf dem Album "Live Around The World".
Weniger spannend schleppt sich im stampfenden Zeitlupentempo das Stück "Transcendence" dahin, für mich ein relativer Ausfall, der sich erst mit dem flotteren "Ladies" ein wenig zu erholen scheint. Und nun ein Klassiker, "My Funny Valentine" von Hart/Rodgers, wohl unzählige Male interpretiert. So ist es hier Garrett, der die Melodie am Leben erhält, denn Svoy scheint sich darum gar nicht zu kümmern und braut sein elektronisches Rhythmusgebräu und umhüllt das Saxofon mit wabernden elektronischen Klangschwaden. Ja, was soll man davon halten? Einerseits ein gewagtes Experiment, andererseits stellt sich die Frage, ob man als Hörer*in damit glücklich werden kann.
Diese Verquickung von akustischen/elektro-akustischen und elektronischen Elementen strahlt durchaus eine gewisse Faszination aus, der man aber auf jeden Fall zugeneigt sein sollte. Denn diese Drummachines, diese Loops, diese Techno-mäßige Stimmung, wirken kalt, und somit stellt Garrett mit seinem Saxofonspiel den warmen Gegenpol dar. Auf die Dauer wirkt es leider auch ermüdend, allerdings scheint es, lauscht man seinem melodiösen und engagiertem Spiel, Garrett wohl Spass bereitet zu haben. Und so denke ich, ist es auch stark stimmungsabhängig, ob man sich hier fallen lassen kann oder sogar Lust auf den Dancefloor verspürt, denn in einer entsprechenden Disco sollte man sich gern diesem Sound hingeben, ist er doch inhaltlich um Längen besser als Vieles, was dort geboten wird. Kurz noch: die ersten beiden Songs sind für mich die eindeutigen "Renner" dieser Scheibe!
Trackliste
2 Miles Running Down AI (5:10)
3 Transcendence (5:11)
4 Divergence Tu-Dah (5:09)
5 Ladies (3:06)
6 My Funny Valentine (6:15)
7 Convergence (6:29)
(All songs written and arranged by Kenny Garrett and Svoy, except "My Funny Valentine" by Lorenz Hart and Richard Rodgers)
Besetzung
Svoy (programming, vocals, piano)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |