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Chants de Terre et le Ciel – Poèmes pur Mi u. a.
Info
Musikrichtung:
Neue Musik / Lied
VÖ: 05.04.2024 (Alpha / Naxos / CD / DDD / 2021-2022 / Alpha 1033) Gesamtspielzeit: 58:41 |
SINNLICH & KRISTALLIN
In ihrer Mischung aus persönlicher Liebeserklärung und schwärmerischer Religiosität, surrealer Dichtkunst und exotisch aufblühender Harmonik charakterisiert Olivier Messiaens frühe Liederzyklen bereits ein ausgeprägter Individualstil. Die zwischen 1936 und 1938 entstandenen „Poèmes pur Mi“ und die „Chants de Terre et le Ciel“ hat Messiaen seiner 1959 verstorbenen ersten Frau, der Geigerin Claire Delbos, genannt „Mi“ gewidmet. Auch ihrem gemeinsamen Sohn Pascal sind in der zweiten Sammlung Lieder zugeeignet.
Messiaen hatte für die Ausführung eine große, dramatische Sopranstimme im Sinn, durchaus von wagnerischem Format. An das vergleichsweise schlank disponierte Organ der kanadischen Sängerin Barbara Hannigan denkt man dabei vielleicht nicht zuerst. Doch wenn man sie dann mit diesem Repertoire hört, mit ihrer klaren und kraftvollen, luziden und dramatischen Stimme, die überdies sehr wandlungsfähig ist und jedem Wort, jeder Phrase die angemesse Farbe und Gewichtung verleiht, ist man doch schnell überzeugt.
Die zartesten Momente und expansiven Ekstasen gelingen ihr gleichermaßen intensiv und textverständlich, dabei sehr unmittelbar und mit spürbarer innerer Beteiligung. Das Bekenntnishafte der Texte mit ihrer Verherrlichung der ehelichen Liebe wie auch die ganz unironische mystisch inspirierte Jesus-Verehrung werden von ihr mit der gleichen Aufrichtigkeit und Hingabe gesungen. So wird Hannigan ganz zum Instrument des Komponisten.
Wie auch ihr kongenialer Begleiter, der französische Pianist Bertrand Chamayou, der die fluoreszierenden harmonischen Schwebewelten und markanten rhythmischen Figurationen, die Messiaen hier kreiert, ebenso sinnlich wie kristallin aufleuchten lässt. Da haben sich offenbar zwei Künstler:innen gefunden, die bestens miteinander harmonieren.
Dies gilt auch für die Einspielung der selten eingespielten musikalischen Szene „La Mort du Nombre“, bei der noch der wohlklingende und ausdrucksvolle Tenor Charles Sy und die sensibel intonierende Geigerin Vilde Frang hinzutreten. Harmonisch steht dieses Werk von 1930 noch mehr in der Debussy-Ravel-Linie. Aber die Disposition und Gestik weisen schon auf die Franziskusoper von 1987 voraus.
Auch aufnahmetechnisch ist diese luftig, konturiert und transparent klingende Produktion sehr gelungen.
Georg Henkel
Trackliste
Besetzung
Vilde Frang, Violine
Bertrand Chamayou, Klavier
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |