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Mussorgsky, M. (Lahusen)

Bilder einer Ausstellung / Klavierwerke

Info Musikrichtung: Nationalrussische Schule VÖ: 19.09.2005 Celestial Harmonies / Naxos (CD, DDD (AD: 2004) / Best.nr.13248-2) Gesamtspielzeit: 68:10 Internet: Celestial Harmonies

Als Nikolaus Lahusen (Jahrgang 1960) am 15. Mai 2005 an den Folgen eines Krebsleidens starb, war die Bestürzung in der Musikwelt groß. Den Fans der Klaviermusik war der Name des Pianisten spätestens seit seinen fulminanten Schubert-Einspielungen auf dem Hammerflügel ein Begriff. Er stand und steht für eine stets zutiefst durchdachte und das Material durchdringende Interpretation, denn Lahusen setzte an die Stelle bloßer Virtuosität ein dem Wesen der Musik nachspürendes Suchen. Die überlegenen pianistischen Fähigkeiten, über die er verfügte, stellte er konsquent in den Dienst dieser Suche.
Mit der im Dezember 2004 entstandenen Einspielung der "Bilder einer Ausstellung" hatte Lahusen sich einmal mehr neue Horizonte erschlossen.

Und er nimmt dabei den Hörer mit auf dieser Entdeckungsreise. Wie oft schon hat man das Werk gehört. Häufiger als im Original wohl in der Orchesterfassung, die von Maurice Ravel stammt. Dass diese dem Stück nichts wesentliches hinzuzufügen vermag, und dass diese "Ausstellung" sehr wohl noch reichlich Neues für uns bereithält, macht die CD exemplarisch deutlich. Mussorgsky versucht in dem Zyklus, den optischen Eindruck, den ihm die kraftvollen Bilder des Malers Viktor Hartmann hinterlassen hatten, in Musik umzusetzen. Die Klavierfassung lässt dabei durch den höheren Abstraktionsgrad den Eindruck oberflächlicher Tonmalerei nicht so schnell aufkommen, wie die Orchesterfassung.
Lahusen nähert sich den einzelnen Stücken oft zuerst vorsichtig suchend. Schon die Übergänge ("Promenaden"), also den Wechsel von einem Bild zum nächsten, gestaltet er höchst differenziert, doch immer erscheinen die Schritte des Ausstellungsbesuchers vorsichtig, bis zurückhaltend. Ein geschickter Kontrast zur tonsprachlichen Überzeugungskraft der dann jeweils folgenden musikalischen Bilder. Lahusens nuancenreiche Interpretation ist bei diesen so intensiv, als fühlte er mit den Fingerkuppen die Bildoberfläche und -struktur nach, um sich dann ganz in die Szene zu versenken. So stellt er uns "Das alte Schloß", den "Ochsenkarren" oder die "Katakomben" keineswegs als harmlose Bilder vor. Durch dynamische Schattierungen, eine aufmerksame Hinwendung zu jedem Detail und oft gleichermaßen überraschende wie überzeugende Phrasierungen erhebt sich stattdessen in kürzester Zeit eine stets ganz eigene, höchst plastische Szenerie, in die man sich hineingeworfen sieht. Die burleske Schrulligkeit mancher Bildtitel ist somit schnell vergessen. Trotzdem kommt der Humor bei passender Gelegenheit nicht zu kurz: Wann hat man je ein so vorwitziges "Ballett der Küken in ihren Eierschalen" gehört?

Neben vier kleineren Klavierstücken, die Mussorgsky auch als aufmerksamen, aufgeschlossenen Beobachter der Entwicklung der Klaviermusik im Europa des 19. Jahrhunderts zeigen, findet sich auf der CD zudem die Klavierfassung des Orchesterwerks "Eine Nacht auf dem kahlen Berge". Hier lässt Lahusen eindrucksvoll die Szenerie eines Hexensabbats entstehen und entlockt dem Klavier dabei solch einen Farbenreichtum, das man das Orchester wahrlich nicht vermisst.


Mit dieser Aufnahme hat Nikolaus Lahusen seinen Hörern ein Vermächtnis von allerhöchstem Wert hinterlassen.

Sven Kerkhoff