Reviews
You drive me crazy - Opernarien und -szenen
Info
Musikrichtung:
Wiener Klassik
VÖ: 12.04.2024 (Alpha / Outhere / Naxos / CD / 2023 / Artikelnr. ALPHA 1026) Gesamtspielzeit: 59:15 Internet: Golda Schultz |
WAHNSINN
Selbst wer, wie die südafrikanische Koloratursopranistin Golda Schultz, über jahrzehntelange Bühnenerfahrung im Fach verfügt, muss schon einigermaßen mozartverrückt bis wahnsinnig sein, sich mit einem solchen Recital auf den Markt zu wagen, das nicht etwa Randständiges (Konzertarien, Stücke aus den unbekannteren Jugendopern etc.) präsentiert, sondern sich auf die Da Ponte-Opern und damit auf das allen im Ohr befindliche Kernrepertoire fokussiert. Furchteinflössend ist die Konkurrenz der großen Namen über die Jahrzehnte der Schallplattengeschichte und schwer ist es, dem etwas hinzuzufügen, das daneben bestehen kann oder gar noch eine eigenständige Sichtweise beisteuert.
Schultz versucht dies zu erreichen, indem sie die von ihr verkörperten Frauenfiguren interpretatorisch wegrückt von der Kategorie der liebend Leidenden und uns Donna Anna, Donna Elvira, Susanna, Gräfin Almaviva oder Fiordiligi als starke, kämpferische Vertreterinnen ihres Geschlechts vorstellt. Dementsprechend mit Power und Metall ausgestattet erscheinen dann oft die Arien und Auftritte in den Ensembles. Der Mozart-Schmelz tritt in den Hintergrund, zumal Schultz´ Sopran diesen ohnehin nur in der Mittellage hergibt, wohingegen sie in der Höhe einen zugleich durchdringenden wie vibratoreichen Ton pflegt. Nicht selten vollzieht die psychologische Ausdifferenzierung der Figuren sich in ihrer Deutung erst im Verlaufe der einzelnen Nummer - so erscheint die Gräfin bei ihrer Arie "Dove sono" zunächst noch recht robust und offenbart ihren Schmerz erst nach und nach, was ein interessanter Deutungsansatz ist. Donna Anna und Donna Elvira bleiben demgegnüber in einem von Beginn an zornig-hysterischen Affekt gefangen, womit die Bandbreite der beiden Arien ("Or sai chi l´onore"; "Mi tradi qull´alma ingrata") nicht ausgereizt wird, die zumindest auch die Zerrissenheit beider zwischen Konvention und erotischer Sehnsucht beleuchten.
Überzeugender gelingt es Schultz, das Changieren von Susanna und Fiordiligi zwischen keckem Auftritt und Gefühlstiefe Gestalt annehmen zu lassen. Auch ihr Spielwitz in den klugerweise eingestreuten Ensembles nimmt für sich ein.
Alles in allem technisch makellose Darstellungen, die einem beim Hören im Vergleich zur beinharten Konkurrenz emotional indes nicht immer wirklich nahekommen. Dies mag ein Stück auch an dem beziehungslosen Nebeneinander der Szenen liegen, das es der Sängerin zugleich nicht unbedingt leichter macht, dem komplexen Innenleben der Figuren bis ins Letzte nachzuspüren.
Die Kammerakademie Potsdam, die sich zuletzt als Mozart-Orchester etabliert hat, präsentiert den Orchesterpart mit Präzision und Drive auf aktuellem Stand, ist akustisch aber etwas wattig verpackt und zurückgerückt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Giunse alfin il momento; Deh vieni non tardar; Canzonetta sull'aria; E Susanna non vien; Dove sono i bei momenti; Gente gente, all'armi, all'armi - aus Le Nozze di Figaro KV 492
Temerari, sortite fuori di questo loco; Come un scoglio immorto resta; Fra gli amplessi in pochi istanti; Alla bela Despinetta vi presento, amici miei; Ei parte...senti; Per pieta, ben mio, perdona - aus Cosi fan tutte KV 588
Besetzung
Julie Roset (Sopran), Amitai Pati (Tenor), Ashley Dixon Santelli (Mezzosopran), Milan Siljanov (Bass-Bariton), Simone Easthope (Sopran), Pawel Horodyski (Bass), Samuel Dale Johnson (Bariton)
Kammerakademie Potsdam
Antonello Manacorda
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |