Reviews
Sämtliche Sonaten und Ballett-Musik
Info
Musikrichtung:
Barock / Instrumental
VÖ: 26.04.2024 (Ricercar / 2 CD / DDD / 2021-2023 / RIC 460) Gesamtspielzeit: 152:16 |
VORBILDLICHE REKONSTRUKTION
Eine Durchsicht der gehaltvollen Instrumentalmusik von David Pohle überzeugte das Ensemble Clematis, eine Gesamteinspielung anzugehen. Der 1624 geborene und 1695 verstorbene Pohle war Schüler von Heinrich Schütz. Während seiner Zeit als Kapellmeister unter anderem in Merseburg und Weißenfels hat er ein umfangreiches Korpus geistlicher und weltlicher Musik geschaffen, das aber nur in Manuskriptform und auch nicht immer vollständig erhalten ist. So fehlen bei den rund 20 überlieferten Sonaten zum großen Teil die Stimmhefte für die erste Violine, die der Musikwissenschaftler Gottfried Gille aber für die moderne Werkausgabe rekonstruieren konnte. Eine Vertiefung in die musikalischen Konventionen des 17. Jahrhunderts und eine Befassung mit Pohles durchaus erkennbaren eigenen Stil ermöglichen eine solche „Reparatur“. Wüsste man es nicht, würde man diese nachträgliche Ergänzung wohl nicht bemerken.
Die hier eingespielten mehrteiligen Sonaten und zwei Tanzsuiten sind für drei bis acht Streicher, meist aus der Violinfamilie, sowie Continuo gesetzt. Pohle erweist sich hier ganz als Komponist in der mitteldeutschen Tradition des 17. Jahrhunderts, der vor allem italienische Einflüsse aufgreift und mit der polyphonen Schreibweise verschmilzt, die damals in seinem Umfeld gepflegt wurde.
Die Sonaten sind formal frei und, bei aller Einbettung in den Zeitstil, konzertant bewegt und abwechslungsreich gestaltet. Es scheint, als habe der Komponist dieses Genre vor allem als Experimentierfeld verstanden. Auch Tanzmodelle wurden von ihm integriert. Das legt zumindest nahe, dass einige der Sonaten für Ballette im höfischen Kontext gedacht waren.
Die Ausführung ist bei einem insgesamt angenehm warmen und natürlichen Klangbildsehr geschmeidig und klangschön. Clematis musiziert im Vertrauen darauf, dass sich die Qualität der Musik auch ohne „Geschmacksverstärker“ durchsetzt, weshalb sich das Ensemble recht eng an die überlieferte Aufführungspraxis anlehnt. So genügt überwiegend ein Tasteninstrument für den Continuopart. Bei Pohle ist schlicht „Cembalo“ angegeben. Brice Sailly wechselt hier allerdings zwischen einem Instrument mit Metall- und einem mit Darmsaiten, das lautenähnlich klingt. Gelegentlich übernehmen auch eine Truhenorgel oder ein schnarrendes Regal diesen Part und ausnahmsweise treten ein Fagott und eine Posaune hinzu. Ansonsten bleibt es bei einer Streicherbesetzung, die durch die immer wieder neuen „Registrierungen“ bei der Besetzung aber nicht eintönig klingt.
Nicht nur für die Liebhaber dieses Repertoires ist diese vorbildlich interpretierte und präsentierte Einspielung ohne Zweifel ein Gewinn.
Georg Henkel
Trackliste
G-Dur G. 17, G-Dur G. 19, G-Dur G. 29, g-moll G. 2, g-moll G. 6, g-moll G. 10,
g-moll G. 21, g-moll G. 25, a-moll G. 13, a-moll G. 14, a-moll G. 20; Dances F-Dur G. 28; Bransles G-Dur G. 27
Besetzung
Brice Sailly & Stéphanie de Failly, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |