Reviews
Live In Graz
Info
Musikrichtung:
Comedy-Fusion
VÖ: 08.12.2023 (Railroad Tracks) Gesamtspielzeit: 46:39 Internet: https://helge-schneider.de/ https://brokensilence.de/ https://mosaik-promotion.de/ |
Na, ganz so allein war Helge Schneider am 12. August 2023 in Graz nicht auf der Bühne, liest man auf dem Cover doch: Helge and his Travelling Stars! Um dem Konzert noch etwas Ausdruck zu verleihen, erblickt man auch noch den zeitgemäß recht begehrten Ausdruck "Mega".
Erst im letzten Jahr hatte ich zuletzt die Platte Torero vorgestellt, und nun erschien nach Live In Luxembourg eine weitere Live-Einspielung. Wenn ich mir vorab die Songliste anschaue, muss ich wieder davon ausgehen, dass mich dieser typische schräge Schneider-Wahnsinn erwartet. Dabei könnte es auf eine Mischung davon, ich erblicke neben "Katzeklo" auch einen Schuss möglicher jazziger Ernsthaftigkeit ("Night In Tunesia"), hinauslaufen.
Also - rasch den ersten Blick über den "Gartenzaun" werfen! Und das swingt dann doch recht ernsthaft, Helge hier am Vibrafon, textlich jedoch genau diese wortspielreiche Blödelei, die zum Schmunzeln anregt. Ein Wechsel zum Piano, und ich staune stets, wie begabt der Mann doch ist. Nach etwas über zwei Minuten ist es bereits vorbei, und wir reiten dann nach "Texas". "Ja, die Kakteen und der Sand, die Prärie mit ihren Büffeln, Indianer, Koyoten und der Waaaaaaaaahaaaaaald. Hier werde ich alt." Aber bitte selber hören, und dazwischen, "für Jazz-Freunde", eine kleine Swing-Einlage, und, leicht verstimmt klingend, "Für Elise" von Beethoven und andere kurze Köstlichkeiten. Ach ja, der Wahnsinn hat mich schon wieder gepackt.
Und daher kann ich nur empfehlen, Jedem/Jeder, der/die das mag, dem verrückten Burschen eine Chance zu geben, um das mitzuerleben, sofern man in Graz nicht dabei war. Denn um jeden Gag, der sich durch die zehn Songs zieht, im Einzelnen und im Detail aufzuführen, würde diese Rezension wohl sprengen. Mithin - der gewohnte Wahnsinn, Humor, manchmal platt, manchmal augenzwinkernd, und ich denke, auch hier wäre eine zusätzliche DVD angebracht gewesen, um das nur hörbar zu Erheischende auch optisch genießen zu können.
Musikalisch ist das dazu sehr professionell umgesetzt, abgesehen von absichtlich schrägen Momenten und gelegentlichem Rasseln und Scheppern, zum Beispiel, wenn Sandro Giampietro bei "L.O.T.C." ein cooles Gitarrensolo loslässt, und Helge dazu herumrasselt, aber dann auch wiederum am Piano einen tollen Background liefert, ja, er kann auch Piano spielen, ohne dass es verstimmt klingt.
"My Baby Left Me" ist ein schleppender Blues, der ganz alt klingt, Helge am Piano und eine schräg klingende Melodika von Reinhard Glöder dazu, Giampietro mit einem Gitarrensolo, dann setzt der Chef mit einem tatsächlich ernsthaft klingenden Saxofon-Solo an, doch mit dem "Telefonmann" und "Katzeklo" geht Alles wieder den gewohnten Gang.
Abermals begeben wir uns in die Weite der Prärie, mit "Horses", ein Horn (Trompete, Waldhorn???) gibt eine Western-Melodie vor und Sergej Gleitman scheint hier das Pferd zu spielen, siehe Line-up. Helge singt dazu nur "Ahhhhahhhaaaahaaahaahaaa" oder so ähnlich. Ich stelle mir gerade den Film zu diesem Soundtrack vor!
Ach, Wahnsinn hin und her - tatsächlich ist es absolut belustigend und es macht Spass, die sicher guten musikalischen Darbietungen der Band gehen in diesem Kontext manchmal natürlich ein wenig unter und man hätte es verdient, mit dieser Besetzung auch einmal ein Album mit ernsthafter Musik einzuspielen. Denn offensichtlich hat man diverse Spielarten gut im Griff, nach Jazz und Blues auch diesen lasziven Hauch von Latin auf "American Bypass" zum Beispiel, und irgendetwas scheint hier noch abzugehen, das man leider nicht sehen kann, Schneider veranstaltet etwas auf der Bühne und präsentiert hierbei Töne.
"Night In Tunesia" von Dizzy Gillespie zeigt dann, dass die Musik dieser Platte im Vergleich zu den bisherigen höherwertiger einzustufen ist als bei den Vorgängern, man bemerkt allerdings auch, dass der Protagonist sicher nicht einer der besten Saxofonisten des Genres ist. Dieser Song zeigt letztlich aber auch, dass man offensichtlich versucht hat, zugunsten ernsthaften Musizierens den Blödel-Faktor ein wenig mehr außen vor zu lassen, möglicherweise "zu Lasten" der Publikums, das vielleicht mehr Wahnsinn erwartet hätte. Doch kann es auch zu einer Gefahr werden, dieses nach und nach überzustrapazieren. Denn kaum erklingen nur die Worte "Du alte Sau", dann erhebt sich das Publikum zum Gelächter, das könnte auf Dauer dann auch flach werden.
Trackliste
2 TEXAS (2:34)
3 L.O.T.C. (7:27)
4 My Baby Left Me (4:28)
5 Telefonmann (5:16)
6 Katzeklo (4:16)
7 Horses (5:12)
8 American Bypass (6:32)
9 Night In Tunesia (3:45)
10 SHE'S GONE (5:02)
Besetzung
Sandro Giampietro (Gitarre)
Reinhard Glöder (Kontrabass, Melodika)
Willy Ketzer (Schlagzeug)
Sergej Gleitman (Schlangentanz, Geige, Pferd)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |