Reviews

Fauré, G. (Les Sage, É. u. a.)

Sämtliche Werke für Kammermusik – Nocturnes

Info Musikrichtung: Romantik / Kammermusik VÖ: 23.03.2024 (Alpha / Naxos / 6 CD / DDD / 2010-2018 / Alpha 1055) Gesamtspielzeit: 342:56

Zum 100. Todestag von Gabriel Fauré kredenzt das Label Alpha eine Gesamteinspielung von dessen Kammermusik plus die Nocturnes für Klavier auf sechs CDs – wobei das Klavier beim Pianisten-Komponisten Fauré in allen kammermusikalischen Gattungen gewissermaßen die conditio sine qua non ist.

Und so ist der Pianist Éric Le Sage als spiritus rector des ganzen Unternehmens durchweg präsent. Mit seinen renommierten Mitstreiter:innen, darunter so illustre Virtuosen wie der Klavier-Kollege Alexandre Tharaud, der Flötist Emmanuel Pahud oder das Quatuor Ébène, hat er ab 2010 das erste der hier kompilierten Programme eingespielt. 2018 brachte er dann mit den Nocturnes die Reihe zum Abschluss und nun wird diese Edition in einer Box veröffentlicht.

Die Sammlung bietet die Gelegenheit, die Entwicklung Faurés über seine Komponistenlaufbahn hinweg zu verfolgen. Dabei ist dieser sich erstaunlich gleichgeblieben, was die Grundgestimmtheit und -farbe seiner Musik angeht. Trotz der progressiven harmonischen Anreicherung der Musik ist ihr Ton überwiegend herbstlich entspannt, allerdings bei einem eher verhangenen musikalischen Himmel, was für seidenmatte Nuancen sorgt. Die gedämpften und gebrochenen Lindgrün-Töne der CD-Hüllen sind so gesehen recht passend für diese Gesamteinspielung.
Trotz der leichten und transparenten Texturen liegt eine gewisse nonchalante Traurigkeit über diesem Werk, das selbst in den lebhafteren Momenten keine Virtuosität um der Virtuosität Willen ausstellt. Fauré scheint immer auf der Suche einer prästabilisierten Harmonie und der Balance des Ausdrucks zu sein, die seine Instrumentalmusik auf eine mittlere, wohltemperierte Achse ausrichtet. Jede Bewegung in die eine Richtung wird durch eine in die andere beantwortet, aufgefangen und ausgeglichen. Nichts ist mehr als nötig beschwert, aber umgekehrt gleitet auch nichts ins Banale ab.

Die Interpreten unterstreichen dies in den unterschiedlichen Konstellationen durch eine insgesamt ungekünstelte, feinabgetönte und elegante Darstellung, die nichts mit zusätzlichem Ausdruck auflädt und alles in geschmeidiger Klarheit zu Gehör bringt. Auch die Nocturnes, die für Klavier allein komponiert sind, werden, verglichen mit der jüngsten Gesamteinspielung von Marc-André Hamelin (Hyperion), mit fast schon dezenter Beiläufigkeit zum Leben erweckt: Le Sage benötigt gut zehn Minuten weniger als Hamelin, der dem Komponisten durchaus eine romantische Atmosphäre und auch mehr Farben gönnt.

Georg Henkel