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Leclair – Rebel – Francœur u. a. (Boulanger, L. – Pierre, S. – Fortin, O.)

The Golden Hour – Musik für Violine & Gambe

Info Musikrichtung: Barock / Kammermusik VÖ: 23.02.2024 (Alpha / Naxos / CD / DDD / 2022 / Alpha 1059) Gesamtspielzeit: 69:33

Zu Beginn des 18. Jahrhundert ist in Frankreich noch nicht ganz entschieden, ob die Geige der Gambe endgültig den Rang abläuft – also jenem Instrument, auf dessen sieben Saiten Monsieur de Sainte-Colombe und sein Schüler Marin Marais geradezu den unverwechselbaren Soundtrack zum Grand Siècle komponiert haben: melancholisch und grandios, meditativ und theatralisch. Die Gambe steht in Frankreich für die musikalische Synthese barocker Ästhetik. Aber der wachsende Einfluss italienischer Musik macht sich ab 1700 doch mehr und mehr bemerkbar – und das Instrument der Italiener ist eben die Violine, die unkomplizierter und schneller zu spielen ist und mit brillanterem, auch durchsetzungsfähigerem Ton die sensible und grüblerische Gambe mehr und mehr in den Hintergrund drängt.

Lucile Boulanger, Simon Pierre und Oliver Fortin haben eine Auswahl von Werken zu einem Konzert zusammengestellt, die dieses wechselvolle, konkurrierende Verhältnis beleuchten: „Die goldene Stunde“ zelebriert mit Stücken unter anderem von Jean-Marie Leclair, Jean-Féry Rebel oder François Francœur das noch weitgehend gedeihliche Miteinander von Violine und Gambe.
Mal führt die eine, dann wieder die andere, man ergänzt sich, spornt sich gegenseitig an und nimmt auf die Möglichkeiten und Grenzen des Gegenübers Rücksicht (was meist zugunsten der Gambe geschieht). Und das Cembalo grundiert dazu die Basslinie. Das tönt mal getragener, mal lyrischer, mal konzertanter, aber stets wohlklingend, bei einer insgesamt versonnenen Musizierhaltung, die der Musik viel Luft zum Atmen und Nachklingen lässt, gerade in den langsameren Sätzen. Ein herbstliches Licht liegt auf dieser Musik: Für die Gambe vielleicht eher ein Blick zurück im Wissen darum, dass ihre Zeit vorbei ist. Die Violine spielt hingegen spielt sich frei: Ihr Frühling hat gerade erst begonnen.

Georg Henkel