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Solo (Werke für Streichinstrumente)
Info
Musikrichtung:
Barock / Streichinstrumente
VÖ: 02.02.2024 (Accent / Note 1 / CD / DDD / 2023 / ACC 24400) Gesamtspielzeit: 58:09 |
ALTERSWEISE GELASSENHEIT
Auf dem Cover schaut Sigiswald Kuijken in seinem mit exotischen Schnörkeln überzogenen und zugleich mönchsartig schlichten Gewand ein wenig aus wie eine Figur aus einem der aktuell so beliebten Mittelalter- oder Fantasy-Epen. Gewiss wäre er dort als Barde und Spielmann ein Besetzungs-Coup!
Doch spielt der belgische Alte-Musik-Entrepreneur, -Pädagoge und vor allem Interpret Sigiswald Kuijken hier ganz für sich allein (und natürlich für das Publikum vor den Boxen). Er schenkt sich und seinen Fans zum 80. Geburtstag ein Album, das schlicht „Solo“ betitelt ist. Darauf einige Lieblingsstücke, die Kuijken auf diversen Streichinstrumenten präsentiert.
Mit den Werken, die von Diego Ortiz, Thomas Baltzar, Johann Sebastian Bach, Heinrich Ignaz Franz Biber oder Carl Friedrich Abel stammen, steckt der Künstler nicht nur jenes Feld ab, in dem er sich als Interpret seit vielen Jahrzehnten bewegt. Er erinnert auch an die vielen Entdeckungen, die die historisch informierte Aufführungspraxis ihm verdankt. Ob es sich nun um alte Spieltechniken handelt oder um die Wiederenbelebung alter Instrumente: Kuijken war diesbezüglich oft einer der Avantgardisten in seiner Zunft.
So kultivierte er eine Spielsweise auf der barocken Violine, ber der das Instrument nicht zwischen Schulter und Kinn eingeklemmt, sondern lediglich an der Schulter angelehnt wird, was den Klangeindruck entspannt und die Obertöne besser zu Gehör bringt.
Kuijkens unermüdlicher Neugierde und Experimentierfreude verdanken wir auch 2004 die erneute Einführung des fast vergessenen Violoncello da spalla, des Schultercellos, auf dem sich beispielsweise Bachs Cellosonaten viel umstandloser und idiomatischer interpretieren lassen. Kuijkens Ausgangspunkt war dabei immer sehr konkret: Seine Annäherung an die musikalische Vergangenheit erfolgte auf dem Weg der Empirie und lebendigen musikalischen Praxis, weniger über theoretische Vorentscheidungen. Auch Kuijkens Einsatz für die solistische Vokalbesetzung bei Bachs Chören überzeugt ja vor allem, weil die Interpretationen, unbeschadet der Quellenlage, durch ihre Konzentration und Innerlichkeit berühren.
Mit einer gehörigen Portion Altersweisheit und abgeklärten Gelassenheit spielt Kuijken auch dieses Mal. Ohne je besserwisserisch zu wirken oder etwas nachdrücklich demonstrieren zu wollen, bringt er die ausgewählten Kostbarkeiten zum Klingen. Sein Angang lässt den Klang sonor aufblühen und rückt vor allem Gambe, Violine und Schultercello als Verwandte näher aneinander, weil das Opertonspektrum in allen Fällen gleichermaßen reich erscheint. Die Phrasierung und Artikulation sind eher gerundet und fließend. Der Eindruck von meditativer Versonnenheit, der sich einstellt, ist allerdings nicht unangemessen – diese diskrete, nach-hörende Herangehensweise nutzt sich wahrscheinlich weniger rasch ab als spektakuläre Stunts auf Darmsaiten.
In toto: Das würdige musikalische (Selbst)Porträt einer der prägenden Gestalten der historischen Aufführungspraxis!
Georg Henkel
Trackliste
Thomas Baltzar: Prelude G-Dur & Allemande c-moll
Heinrich Ignaz Franz Biber: Passacaglia aus Rosenkranz-Sonate Nr. 16
Johann Sebastian Bach: Bourrees I & II, Sarabande & Gigue aus der Cellosuite BWV 1009; Allemande aus der Cellosuite BWV 1008; Allemanda, Corrente & Sarabanda aus der Partita für Violine BWV 1004
Carl Friedrich Abel: Sonate G-Dur
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |