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Te Deum
Info
Musikrichtung:
Barock / Geistliche Musik
VÖ: 05.01.2024 (Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 1018) Gesamtspielzeit: 51:17 |
PRÄCHTIGES DOPPEL
Ob es noch eine weitere Einspielung von Marc-Antoine Charpentiers berühmtem „Eurovisions“-Te-Deum mit seinen prächtigen Eröffnungsfanfaren braucht? Die Interpretation durch das Ensemble „Les Surprises“ unter Louis-Noël Bestion de Camboulas ist freilich sehr einnehmend und wurde vom Centre de Musique baroque de Versailles musikwissenschaftlich auf dem neuesten Forschungstand betreut. Außerdem taugen illustre All-Time-Favorites wie dieses Werk besonders gut als „Zugnummer“, um weniger bekanntes Repertoire ins Spiel zu bringen.
Und so erklingt als Pendant zum besagten Te-Deum ein nicht minder eindrucksvolles und prächtiges Te Deum „de Lyon“ von Henri Desmarest, einem jüngeren Zeitgenossen Charpentiers. Dieses Werk wurde offenbar 1725 im Zusammenhang mit den Hochzeitsfeierlichkeiten von Ludwig XV. zu Ehren der Braut Marie Leszcynska in Lyon aufgeführt.
Desmarests Version währt länger und ist kleinteiliger, Vers für Vers, angelegt – der Komponist hat sich keine Gelegenheit entgehen lassen, seine Fähigkeit zur ausdrucksvollen Textillumination unter Beweis zu stellen. Zudem finden sich hier mehr arienhaft virtuose Abschnitte, während Charpentier stärker auf kontrapunktische Ensembles setzt. Sein Te Deum ist, bei aller Demonstration von äußerem, „staatstragenden“ Glanz, vielleicht auch die stärker verinnerlichte Komposition, während Desmarests Fassung im Ganzen opernhafter wirkt. Die virtuosen Italianismen des Jüngeren hätte man Charpentier, dessen Werk wohl um 1692 oder 1696 anlässlich einer Siegesfeier erklang, in Frankreich seinerzeit noch kaum durchgehen lassen. Desmarest ist eben auch ein Komponist einer neuen Generation, die sich südlichen Einflüssen öffnete und sich von der Strenge des hohen französischen Stils abwandte. Andere Zeiten – veränderter Geschmack.
Das Ensemble „Les Surprises“ findet für beide Kompositionen einen durchweg überzeugenden Ansatz: Bestion de Camboulas schätzt die Zuspitzung der Kontraste, um die musikalische Vielfalt möglichst facettenreich zur Geltung zu bringen. Geschmeidig und tänzerisch federnd werden die klangprächtigen schnellen Sätzen genommen, bei denen trotz mitunter hurtiger Tempi der reflexschnell präzise Chor und das klangschön intonierende Solist:innen-Ensemble nur selten (und dann eher bei Charpentier) unter Druck geraten. Daneben gibt es immer wieder größere und kleinere Inseln der meditativen Betrachtung. Auch instrumental gefällt der in allen Lagen virtuose, dabei ausgewogene Ton, der im Bass durch den Einsatz einer erdigen Bass-Oboe (Cromorne) obertönig angeschärft wird.
Sowohl diejenigen, die eine mitreißende neue Einspielung von Charpentiers bekanntestem Te Deum schätzen, wie auch Neugierigen, die nach weiteren repräsentativen und originellen Vertonungen dieses Hymnus „à la française“ suchen, werden bei diesem meisterlichen Doppel auf ihre Kosten kommen.
Georg Henkel
Trackliste
1 | M.-A. Charpentier: Te Deum H. 146 |
2 | Henry Desmarest: Te Deum „de Lyon“ |
Besetzung
Louis-Noël Bestion de Camboulas, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |