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Anonym (Capelle de Ministrers – Magraner, C.)

Procesional de Sixena – Liturgische Musik aus dem königlichen Konvent von Siena

Info Musikrichtung: Mittelalter / Vokal VÖ: 03.11.2023 (CdM / Note 1 / CD / DDD / 2022 / CdM 2356) Gesamtspielzeit: 75:20

So schlicht diese liturgischen Nonnen-Gesänge aus dem königlichen Konvent von Siena aus dem 14. und 15. Jahrhundert zunächst anmuten mögen, so kunstvoll sind sie tatsächlich. Die vermeintliche Einfachheit der überwiegend einstimmigen Gesänge schließt eine feinsinnige, ja luxuriöse melismatische Gestaltung im Detail keineswegs aus.

Carles Magraner, der Leiter des Ensembles „Capella de Ministrers“, hat die komplexe Quellenlage durchforstet und zu diversen gottesdienstlichen Feierlichkeiten die Musik, zumeist Responsorien, Antiphonen und Hymnen, zusammengestellt: zum Fest Johannes des Täufers, zur Fußwaschung am Gründonnerstag und zum Osterfest selbst. Heute hört man diese Musik außerhalb ihres ursprünglichen festlichen Kontextes freilich vor allem ästhetisch und wird sich dabei wahrscheinlich nicht einmal der biblischen Hintergründe bewusst sein – und doch nimmt einen die Musik mit hinein in den ursprünglichen geistlichen Raum, dem sie entwachsen sind.

Es singen vier Damen des Ensembles: Èlia Casanova, Beatriz Lafont, Laia Blasco, Maria Morellà. Ätherische Soli einzelner Sängerinnen durchqueren den Kirchenraum und werden von gemessenen chorischen Gesängen der übrigen beantwortet. Archaische Mehrstimmigkeit findet sich in den hin und wieder eingeschobenen Motetten, Conductae und Organa. Dazu treten vor allem in instrumentalen, oft tänzerischen Zwischenspielen eine Fidel und eine Harfe, gelegentlich interpunktieren auch silbrige Glockenklänge die Musik.

Das hat etwas von einem Engelkonzert, atmet eine ungemeine, geradezu himmlische Ruhe und Zeitlosigkeit – geistliche Musik im wahrsten Sinne des Wortes, aber auch „religio“ im Sinne von Rück-Bindung an das, was das Leben im Inneren ausmacht und beseelt.

Georg Henkel