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Reviews

Satie, E. – Cage, J. (Chamayou, B.)

Letter(s) to Erik Satie


Info

Musikrichtung: Klassische Moderne / Klavier

VÖ: 17.11.2023

(Erato / Warner Classics / CD / DDD / 2023/ Erato 5054197696442)

MUSIKALISCHE BRIEFWECHSEL

Es war für den Pianisten Betrand Chamayou eine erhellende Entdeckung, dass der amerikanische Avantgarde-Anarcho und Konzept-Musikalist John Cage wesentliche Anregungen vom Franzosen Erik Satie empfangen hat – was man vor allem bei einigen frühen Klavierwerken von Cage unmittelbar hören kann. Die sind ähnlich exotisch modal gefärbt wie einige der berühmtesten Stücke Erik Saties, die auf dieser Einspielung im Zentrum stehen. Vor allem die „Gymnodpedies“ und „Gnossiennes“ dürfen da nicht fehlen. Chamayou präsentiert sie prägnant konturiert, resonanzreich und körperlich, was vor allem den „Gnossiennes“ gut ansteht. Diese erinnern an zeremonielle Schreittänze.

Man muss es dem Interpreten hoch anrechnen, dass er sich nicht verleiten lässt, die Musik asketisch oder gar esoterisch, in klanglichen Weihrauch gehüllt, auszustellen, sie gar als Werke eines weltentrückten Mystikers zu inszenieren (selbst wenn Satie zur Zeit ihrer Entstehung einer schwärmerischen gnostischen Religiosität und den Rosenkreuzern angehangen hat).
Mit der gleichen Spontaneität und Freude an der Entfaltung subtiler pianistischer Energie widmet sich der französische Pianist den späteren Werken Saties, die querständiger und unberechenbarer sind und demonstrieren, wie Satie seinen eigenen Weg gegangen ist. Dass dabei Köstlichkeiten wie die „Nocturnes“ entstanden sind (von denen hier leider nur das 2. eingespielt wurde), die neben skurrilen Porträts von Sportarten (hier einem unendlichen Tango) stehen, zeigt, wie vielfältig Saties Werk ist.

Die Satie-Resonanzen im Werk von John Cage sind nicht minder reich, wobei das Spektrum von regelrechten Stil-Imitationen wie dem – Cage zugeschriebenen – „All Sides oft the Small Stone“ bis hin zu sonoren Versenkungsimpulsen für ein präpariertes Klavier („Prelude for Meditation“) reichen. Das meiste ist kurz, geht manchmal kaum über eine Skizze hinaus.
Zwei Stücke hingegen, die zu Cages bekanntesten Klavierwerken gehören, nehmen sich mit acht bzw. neun Minuten Spielzeit geradezu episch aus: „In a Landscape“ und „Dream“. Diese unwiderstehlich lukullisch klingenden Stücke sind Einzelwerke in Cages Oeuvre geblieben.
Auch hier widersteht Chamayou der Versuchung, lediglich im soften Wohlklang zu schwelgen und die Stücke dadurch zu verkitschen. Seine sanft schwingende Landschaft lebt von feinen Brüchen und Unregelmäßigkeiten. Und Cages Traum vollzieht sich eher luzide, als hellsichtiges Vorantasten in rätselhafte Zwischenwelten voller Fragenzeichen.

Zwischen Satie, Cage und Chamayou vollzieht sich auf diesem Album ein musikalischer „Briefwechsel“ voller wunderlicher Melodie-Sentenzen, poetischer Akkordworte, humorvoll klingender Metaphern und harmonischer Vieldeutigkeiten.



Georg Henkel

Trackliste

Erik Satie: Gnossiennes Nr. 1-7; Gymnopedies Nr. 1-3; Reverie »De l'enfance de Pantagruel« aus Petites pieces montees; Veritables Preludes flasques Nr. 1-3; Le Bain de Mer, La Balancoire, Le Tango perpetuel aus Sport et Divertissements; Sarabande Nr. 3; Songe-Creux
John Cage: All Sides of the small Stone, for Erik Satie; Prelude for Meditation; A Room; In a Landscape; Swinging; Perpetual Tango; Dream
James Tenney: 3 Pages in the Shape of a Pear (in Celebration of Erik Satie)

Besetzung

Betrand Chamayou: Klavier
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger