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Sinfonie Nr. 1 (Linzer Fassung) / Orgelwerke
Info
Musikrichtung:
Orchester
VÖ: 10.10 Capriccio / Delta Music SACD hybrid (AD live 2004 [Sinfonie]/2005) / Best. Nr. 71063 Gesamtspielzeit: 53:00 |
AUFGELICHTET
Es ist dies nicht der erste Versuch, eine Sinfonie Anton Bruckners im Klanggewand ihrer Entstehungszeit zu musizieren. Den Anfang machte vor einem Jahr der Belgier Philippe Herreweghe. Seine Version der 7. Sinfonie (harmonia mundi) bestach durch eine verblüffende Durchsichtigkeit und einen so bislang nicht gehörten Farbreichtum. Anders als bei „normalen“ Sinfonieorchestern legte sich kein opaker Streicher-Firniss über die Partitur.
Dies verdankte sich in erster Linie der reduzierten Besetzung bei den Saiteninstrumenten und den noch nicht durch Klappen- und Ventiltechnik gezähmten Holz- und Blechbläsern. Leider fehlte es Herreweghes Einspielung insgesamt an Sinn für das Abgründige, Beängstigende, auch Brutale in Bruckners Musik.
Diese dunklen Seiten arbeitet Martin Haselbück mit der Wiener Akademie bei der Sinfonie Nr. 1 mit mehr Nachdruck heraus. Dass das Orchester z. T. auf Instrumenten spielt, die Bruckner selbst noch für eine Aufführung seiner f-Moll-Messe angeschafft hatte, verleiht der Interpretation überdies besonderen Reiz.
Dennoch fallen die Unterschiede zu „konventionellen“ Einspielungen weniger deutlich aus, als zunächst vermutet. Zum Vergleich habe ich die Interpretation des Radiosinfonie-Orchesters Saarbrücken unter Stanislaw Skrowaczeswki gewählt, die sich neben flüssigen Tempi vor allem durch eine Brillanz und Transparenz auszeichnet, die Haselböcks Interpretation eigentlich nicht viel nachstehen. Was bei Haselböck vor allem heraussticht, ist die Präsenz der Holz- und Blechbläserregister. Die Klanglegierungen sind poröser: Im 1. Satz leuchten z. B. Flöten, Oboen und später die Klarinetten aus dem Orchestergewebe hervor; beim Finale schmettern die Trompeten und Posaunen auf einem Fundament aus Streichern und Holzbläsern.
Aufs Ganze sind es, abgesehen vom insgesamt obertonreicheren Klang, eher solche Details, die die beiden Einspielungen voneinander unterscheiden. Der polnische Dirigent wählt jedoch insgesamt zügigere Tempi und weiß vor allem im Scherzo orchestrale Energien zu entfesseln. Haselböcks Darbietung wirkt an dieser Stelle, auch verglichen mit dem bei ihm kraftvoll musizierten 4. Satz, weniger gespannt. Er überzeugt dafür im Adagio durch Sanglichkeit, wobei der helle Klang der nicht ganz intonationssicheren Oboen heraussticht.
Zwei kurze, eher etüdenhafte Orgelstücke runden diese lohnende Einspielung ab. Bleibt nur zu hoffen, dass es weitere solche Vorstöße in die bislang eher vernachlässigten Regionen der Spätromantik geben wird.
Georg Henkel
Trackliste
05 Vorpsiel und Fuge
06 Präludium
Besetzung
Ltg. Martin Haselböck
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |