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Un air d´Italie - Die Mandoline im Paris des 18. Jahrhunderts
Info
Musikrichtung:
Spätbarock
VÖ: 03.11.2023 (Arcana / Outhere / Note 1 / CD / 2022 / Artikelnr. A552) Gesamtspielzeit: 69:05 Internet: Anna Schivazappa |
ZAUBER
Nachdem die an sich eher volkstümlich konnotierte Mandolini in Italien nicht zuletzt durch Vivaldi und Scarlatti Eingang in die Kunstmusik und das Konzertleben gefunden hatte, verbreitete sie sich in ähnlicher Weise um die Mitte des 18. Jahrhunderts auch in Mitteleuropa, so unter anderem in Frankreich. Anna Schivazappa hat sich daran gemacht, das französische Repertoire für ihr Instrument aus dieser Zeit zu sichten. Was sie dabei ausfindig gemacht, ist von erstaunlicher Qualität: Vielfach noch im Geist des Spätbarock verhaftet, aber im Nationalstil keineswegs ganz eindeutig zu verorten, dabei munter changierend zwischen folkoristischer Anmutung und aufkommender Galanterie. Den Kern des Albums bilden neben zwei Sonaten aus der Feder Giovanni Gervasios (1730-1786) drei besonders charmante, abwechslungsreiche Sonaten, die urspürnglich Domenico Scarlatti zugeschrieben wurden, deren Komponist tatsächlich aber unbekannt ist. Aufsetzend auf Themen von Haym, Mancini, Conti und Alessandro Scarlatti wird hier vorgeführt, was die quirlig-durchsetzungsstarke Mandoline vermag, wenn sie so feinperlig funkelnd gespielt wird wie Schivazappa es tut.
Doch der Reiz entfaltet sich gerade auch wegen des Besonderheiten des Ensembles: Durch die Mitwirkung von Theorbe (bzw. Erzlaute und Gitarre), Harfe und Cembalo entstehen sich überlagernde "Zupfklänge" (wenn man das Cembalo als Zupfinstrument mit Tasten begreift), die beim Hören einen irrisierenden, leicht hynpnotischen Effekt erzeugen, dem die Viola da gamba eine Art geerdet beruhigende Note beigibt. Die auf den ersten Eindruck in den Themen kleinteilig harmlos anmutenden Sonaten erhalten so eine überraschend vielgestaltige klangfarbliche Aufladung.
Daneben darf sich die Mandoline in zwei etwas späteren Arien zudem als klassisches Begleitinstrument zeigen. Die karikaturhafte Überzeichnung in Forquerays "La Mandoline" (in der eine solche gar nicht spielt, sondern Viola da gamba und Theorbe) schließlich beweist, dass - wie üblich - nicht alle vom Modetrend überzeugt waren.
Das alles ist erstaunlich klangsatt und volumenreich abgebildet. Man scheut sich vor dem abgedroschenen Wort, aber hier passt es wirklich einmal: Zauberhaft! Und originell ist es obendrein.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Nicolas Dezede: Air de Lison aus »Julie«
Anonymus: Sonata Prima C-Dur; Sonata VI g-moll; Sonata IV G-Dur; La Fürstenberg
Antoine Forqueray: La Mandoline
Andre-Ernest-Modeste Gretry: Serenade "Tandis que tout sommeille" aus "L'Amant jaloux"
Besetzung
Pizzicar Galante
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |