Reviews
Le Peintre amoureux de son modele & Les Deux chasseurs et la laitiere
Info
Musikrichtung:
Barock / Oper
VÖ: 06.10.2023 (Aparté / Harmonia Mundi / 2 CD / DDD / 2022 / AP314) Gesamtspielzeit: 109:00 |
GEDIEGEN HUMORVOLL
Mit der Aufführung des italienischen Opernintermezzo „La Serva Padrona“ 1752 in Paris geriet die französische Oper wieder einmal in eine ihrer notorischen Krisen. Pergolesis kleine Buffo-Oper, die ursprünglich als Pausenunterhaltung bei der Aufführung ernster Seria-Opern diente, war damals zwar schon rund 30 Jahre alt, traf aber gerade jetzt den Nerv einer aufgeklärten Zeit. Diese Komödie, in der die Dienerin eines etwas unterbelichteten Patrons sich mit Witz und List die Position der Herrin erobert, schien mit ihrem bodenständigen Personal und der einfachen, volksmusikalisch durchfärbten Musik in jeder Hinsicht das Ideal von Natürlichkeit und Sanglichkeit zu verkörpern. Außerdem barg sie sozialrevolutionäres Potential.
Damit stand sie im krassen Gegensatz zu den komplexen, deklamationsbetonten Musiktheaterformen, die sich in Frankreich entwickelt hatten. Mit ihren mythologisch eingekleideten Handlungen repräsentierten und überhöhten sie vor allem die höfische Welt.
Rasch bildeten sich zwei Lager und ein mit allen publizistischen und konspirativen Mitteln ausgetragener „Querelle des Bouffons“ begann, ein Streit, in dem so ziemlich jeder prominente Geist mitmischte. Für etwa zwei Jahre beherrschten italienische Buffo-Opern die Pariser Bühne und verdrängten die Werke der einheimischen Komponisten oder zwang diese, Stücke in gleichem Stil zu komponieren.
Der Erfolg des aus Süditalien stammenden Egidio Dunis ist im Gefolge der „Querelle des Bouffons“ zu verstehen. Mit seinen kleinen Musikkomödien in französischer Sprache beschritt er dabei durchaus neue Wege, indem er die musikalischen Nummern mit gesprochenen Dialogen (statt gesungenen Rezitativen) verband: comédies mélée d'ariettes. Das gab es zwar schon vorher bei den eher groben Jahrmarkts-Vaudevilles mit ihren Gassenhauern, aber eben nicht in dieser Qualität. Dunis Beherrschung der französischen Sprache erlaubte es, die italienische und französische Musik zu verschmelzen, den Tanz ins Vokale einzuflechten und die feinen Nuancen der Worte mit dem südlichen Belcantoideal zu versöhnen.
Zudem vermied er die Derbheiten seiner Vorgänger und kreierte eine bewusst bürgerliche Musiktheaterform, in der „normale“ Menschen die Hauptrolle in alltäglichen, gleichwohl komischen Situationen spielen. Die kurzen Arien und kleinen Ensembles der hier eingespielten „Le Peintre amoureux de son modele“ sowie „Les Deux chasseurs et la laitiere“, die aus den Jahren 1757 und 1763 stammen, sind sprechende Beispiele für Dunis leichthändigen, eleganten Stil. Die gediegen gearbeiteten Werke zeichnen sich durch komplikationslose Eingängigkeit und Charme aus; Echos seiner Musik finden sich noch bei Mozart und einiges klingt fast schon nach der Operette des späten 19. Jahrhunderts.
Trotz der musikhistorischen Bedeutung Dunis, der als eigentlicher Begründer der Opéra comique gilt, vermögen diese CD-Premieren nicht so recht zu überzeugen. Zum einen wirkt die Musik im Vergleich mit dem, was folgt, doch eher eindimensional, zum anderen musizieren, singen und agieren das Orkester Nord und eine Handvoll französischer Solist:innen unter der Leitung von Martin Wåhlberg recht dezent – „natürlich“ könnte man sagen. Aber etwas mehr Witz, Biss und Tempo hätte dem Ganzen durchaus gutgetan und Dunis vergangenen Ruhm zumindest plausibler gemacht.
Georg Henkel
Trackliste
1 | CD 1: Le Peintre amoureux de son modele (Oper in 2 Akten) |
2 | CD 2: Les Deux chasseurs et la laitiere (Oper in 9 Szenen) |
Besetzung
Orkester Nord
Martin Wahlberg
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |