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Messe de minuit sur des airs de Noel u. a.
Info
Musikrichtung:
Barock / Geistliche Musik
VÖ: 13.10.2023 (Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2022 / HMM 902707) Gesamtspielzeit: 80:52 |
ENGELKONZERTE
Das Ensemble Correspondances setzt unter der Leitung von Sébastien Daucé seine weihnachtlichen Charpentier-Erkundungen fort. Dieses Mal stehen die auf altfranzösischen Weichnachtsliedern beruhende "Messe de Minuit" sowie das konzentrierte Oratorium "In Nativitatem Domini Canticum" auf dem Programm, nebst einiger kürzerer Werke, darunter ein vergleichsweise zurückhaltend instrumentiertes, aber facettenreiches Te Deum.
Anders als z. B. die Kolleg:innen von Les Arts Florissants (Erato, 2000) musiziert das Ensemble Correspondances Messe wie Oratorium nicht in großer, sondern in kammermusikalischer Besetzung. Wobei die elf handverlesenen Sänger:innen und eine eben solche Zahl von Instrumentalist:innen völlig hinreichend sind, um diese sinnenfrohen wie spirituellen Weihnachtsmusiken zu verlebendigen.
Die madrigaleske Interpretation macht dem einfallsreichen Kontrapunktiker und dem Musikdramatiker Charpentier gleichermaßen Ehre. Vor allem die ausdrucksvoll gestaltete Harmonik der verschiedenen „Chöre“ und „Ensembles“ wird vom Ensemble Correspondances in altmeisterlicher Manier ausgekostet, spielt mit Licht, Schatten und den fein gemischten Timbres von Stimmen und Instrumenten.
Dabei wirkt diese Interpretation trotz ausgeschärfter Tempokontraste immer wieder auch meditativ nach innen gekehrt – ganz auf das Geheimnis der Inkarnation konzentriert, die eher vergeistigt in der Tradition der Gottesgeburt in der menschlichen Seele gedeutet scheint.
Betrachtend-dramatischen Charakter hat auch das kleinere Pendant zum Oratorium, das fast titelgleiche „In Nativitate Domini Nostri Jesu Christi Canticum“. Es handelt sich ebenfalls um eine Charpentier-typische „historie sacrée“. Diese wurde von Charpentier nur für drei hohe (Frauen)Stimmen und Continuo gesetzt, ohne dass man irgendetwas vermisst, zumal die Singstimmen hier in den Chorteilen verdoppelt werden, was für ausreichende Kontraste sorgt. Auch hier gelingt den Ausführenden eine musikalisch tiefdringende und herzbewegende Wiedergabe.
Bei der Mitternachts-Messe, auch interpretatorisch der Höhepunkt der Aufnahme, ist die Mischung von volkstümlichen Weisen und elaborierter Satzkunst besonders reizvoll. Exemplarisch gelingt den Ausführung die Verbindung von ruhigem Atem und tänzerischer Weihnachtsfreude. Daucé ergänzt die einzelnen Sätze des Ordinariums durch Charpentiers sehr schöne instrumentale Bearbeitungen ausgewählter Weihnachtslieder und ein „Alma Redemptoris Mater“ – was solche liturgischen Miniaturen angeht, war die Kreativität des Komponisten offenbar unerschöpflich. Auch bei Messe und Motette besticht die minutiöse Durchformung der einzelnen Abschnitte durch die Musiker:innen, ohne dass es irgendwie überfeinert, gar künstlich wirken würde. Man hört sehr viel mehr Details als bei anderen Aufnahmen. Sehr angemessen beschließt das intim-feierliche Te Deum H. 147 diese musikalische Weihnachtsfeier mit einem eher verhaltenem Jubel.
Ob sich man sich nun in die beschaulichen musikalischen Erzählungen des Weihnachtsmysteriums versenkt oder sich von der Fröhlichkeit der in einigen Teilen hinreißend beschwingten Mitternachts-Messe mit ihren Noëls anstecken lässt: Die beseelte Interpretation und sensible Klangkultur des Ensemble Correspondances machen alle versammelten Werke zu wahren Engelkonzerten – ergreifend und tröstlich selbst dann, wenn man den religiösen Hintergrund der Musik nicht (mehr) teilen sollte.
Ein Extra-Lob gilt dem Bookelttext von Thomas Leconte, der die Musik mit O-Tönen der Zeitgenoss:innen in ihrem historischen Kontext erschließt.
Georg Henkel
Trackliste
Sebastien de Brossard: Elevatio "O miraculum!"
Besetzung
Sébastien Daucé, Leitung
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