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Französische Suiten BWV 812-817
Info
Musikrichtung:
Barock / Cembalo
VÖ: 06.10.2023 (Hyperion / Note 1 / 2 CD / DDD / 2022 / CDA68401/2) Gesamtspielzeit: 149:32 |
INTELLEKT & EXPERIMENT
Was Mahan Esfahanis Einspielungen von J. S. Bachs sechs „Französischen Suiten“ auszeichnet, ist wieder intellektuelle Neugierde, gepaart mit Temperament, Sensitivität und technischer Klarheit bis ins letzte Detail. Die Einbeziehung von drei benachbarten Suiten erweitert musikalische wie interpretatorische Perspektive und zeigt, wie sehr gerade diese Sammlung aufgrund der komplexen Überlieferungssituation bis heute bei jeder Aufführung so etwas wie ein „Work-in-Progress“ bleibt.
Doch Esfahani schätzt nicht nur das Cembalo, sondern auch das Clavichord, jenes zartklingende und zu feinen dynamischen Differenzierungen fähige barocke Tasteninstrument für das private Musizieren. Es erlaube ihm, gleichsam mit dem Komponisten in ein Zwiegespräch zu treten. Und so hat Esfahani die „Französischen Suiten“ von J. S. Bach inklusive einiger ergänzender Suiten sogar mehrheitlich auf dem Clavichord eingespielt. Dessen Klang erinnert an eine Mischung aus Zitter und Maultrommel – interessant, aber auch gewöhnungsbedürftig, vor allem bei schnellem Spiel, da das Clavichord dabei durchaus resonanzarm, ja manchmal zirpig rüberkommt.
Diese Trockenheit geht leider auf Kosten der Atmosphäre, vielleicht auch eines wie auch immer zu bestimmenden melancholischen „französischen“ Flairs, wie es zuletzt Pierre Gallon der Musik in seiner singend-versonnenen Interpretation auf dem Cembalo entlockt hat (Encelade).
Wenn dann auch noch mehrere Suiten en bloc auf dem Clavichord dargeboten werden, ist man doch versucht, zwischendurch die Cembalo-Regionen dieser umfassend gefüllten Doppel-CD aufzusuchen. Dort ist es dann, als ob sich die Tür vom intimen Kabinett ins Weite eines Salons öffnet, die Musik Luft und Energie unter ihre Flügel bekommt, inklusive die Farben der vielfältigen Registrierungen. Man bedauert, dass das Cembalo nicht der ständige Begleiter des Interpreten gewesen ist.
Gleichwohl: Esfahani traktiert sein Clavichord mit Fein- und Eigensinn und bestätigt hier wie auf dem Cembalo seinen Ruf als ebenso hingebungsvoller, unschematischer Bach-Interpret, der auch abgelegene Quellen zu Rate zieht, um durch den Dschungel an Verzierungsmöglichkeiten und Varianten zu schlagen und daraus seine eigene Version zu destillieren. In dieser Hinsicht ist auch sein begleitender Essay wieder sehr erhellend und anregend zu lesen.
Georg Henkel
Trackliste
Cembalosuiten a-moll BWV 818, Es-Dur BWV 819, g-moll BWV 822
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |