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Reviews

Charpentier, M.-A. – Lambert, M. – Hardy, F. u. a. (Desandre, L. – Dunford, Th.)

Idylle


Info

Musikrichtung: Barock / Chanson / Crossover

VÖ: 13.10.2023

(Erato / Warner / CD / DDD / 2023 / Erato 5054497751462)

Gesamtspielzeit: 62:00 

ZUM SEUFZEN!

Dieses Album entlockt einem (wenigstens) drei Seufzer: beim Anhören, wenn es endet und sobald man Cover und Booklet genauer betrachtet.

Zum ersten Seufzer: Die Mischung aus barocken französischen Airs, modernen Chansons und einigen Pendants aus der Oper verdient das Prädikat „hinreißend“. Was hier an alten und neuen „Songs“, an musikalischem Feinsinn, Gefühl und Unterhaltung in ausgefeilten Interpretationen geboten wird, ist in seiner Ohrwurmdichte verwöhnerisch. Es rührt und bezaubert. Und macht hörbar, was die aristokratische Salonmusik des 17. Jahrhunderts mit den Mélodies des 19. und 20. Jahrhunderts und den modernen Chansons einer Barbara oder Françoise Hardy verbindet: der Sinn für melodische Eingängigkeit und Raffinement, für Ungezwungenheit und Kunstsinn. Dazu sprechen die ausgewählten Stücke die Sprache der Liebe in allen Dialekten und Brechungen.

Dass diese Epochensprünge so natürlich gelingen, dafür sorgen die wandlungsfähige Sängerin Lea Desandre und ihr kongenialer Partner, der Theorbist Thomas Dunford, der in einigen Einlagen auch solistisch hervortritt. Beide sind sowohl künstlerisch wie privat ein Paar und auf diesem Album feiern sie ihre musikalische und private „Idylle“.

Dabei finden sie für alle Stile einen stimmigen Ton. Vor allem die barocken Hits von Marc-Antoine Charpentier, Michel Lambert oder Sébastien Le Camus ergeben ein regelrechtes Best-off dieser Gattung und werden mit bestechender rhetorischer Kolorierung und blühendem vokalen Wohlklang präsentiert.
Das Duo bringt aber auch noch launige Arien von Offenbach oder von André Messager und sogar einen betörenden Atemzug von Debussy unter (das einminütige Abendgebet der Mélisande). Ganz, als müsse das genau so und nicht anders sein. Auch das notorische „Néere“ und „À Chloris“ von Reynaldo Hahn fehlen nicht. Wobei sich hier interessante Verschiebungen ergeben: Das schwüle erotische Parfüm von „À Chloris“ weicht einem nachgerade barocken Pathos – und funktioniert auch so. Hingegen schwebt das nachfolgende „Sans frayeur dans ce bois“ von Charpentier aus dem ernsten 17. hinüber ins frivole 20. Jahrhundert … wo unter anderem Françoise Hardys unwiderstehliches "Le temps de l'amour" wartet.

Das barocke Begleitinstrument von Dunford sorgt für eine gewisse einheitliche Grundierung und verbreitet eine nostalgisch-intime Atmosphäre. Desandre kann dazu ihre weiter gereiften stimmschauspielerischen Mezzosopran-Qualitäten unter Beweis stellen; sie empfiehlt sich damit nicht nur für die demnächst anstehenden Auftritte als Händels Ariodante oder Charpentiers Medea.

Und so seufzt man zum zweiten Mal mit einem gewissen Bedauern, wenn das Programm bereits nach gut einer Stunde endet – was mit einer erneuten Betätigung der „Play“-Taste freilich rasch zu beheben ist.

Das dritte Seufzen stellt sich ein, wenn man Cover und Booklet betrachtet und sich fragt, wieso die „Idylle“ der beiden mit Fotos illustriert werden musste, die wie aus dem Prospekt einer Modehauskette oder TV-Serie wirken. Oder sollte es sich um eine besondere Form von Ironie handeln (etwa ein Zitat des Covers zu Bob Dylans Album "Freewheelin")? Wie auch immer: Man lasse sich von diesen Klischees bitte nicht täuschen! Dieses Album hat „es“!



Georg Henkel

Trackliste

Honore d'Ambruys: Le doux silence de nox bois
Reynaldo Hahn: Etude latine Nr. 2 "Neere"; A Chloris
Francoise Hardy: Le temps de l'amour; Le premier bonheur du jour
Erik Satie: Gnossienne Nr. 1; Gymnopedie Nr. 1
Marc-Antoine Charpentier: Celle qui fait tout mon tourment; Aupres du feu l'on fait l'amour; Tristes deserts, sombre retraite; Sans freyeur dans ce bois
Andre Messager: J'ai deux amants' aus L'Amour masque
Michel Lambert: Ma bergere est tendre fidele; Ombre de mon amant; Vos mepris chaque jour
Robert de Visee: Sarabande & Chaconne aus Suite Nr. 7 d-moll
Sebastien Le Camus: On n'entend rien dans ce bocage; Laissez durer la nuit
Claude Debussy: Mes longs cheveux descendent aus Pelleas et Melisande
Barbara: Dis, quand reviendras-tu
Jacques Offenbach: Amours divins aus La Belle Helene

Besetzung

Lea Desandre, Mezzo-Sopran
Thomas Dunford, Theorbe & Laute
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So bewerten wir:

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06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
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19 bis 20 Überflieger