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Bach & L’Italie
Info
Musikrichtung:
Barock / Cembalo
VÖ: 06.10.2023 (Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 998) Gesamtspielzeit: 71:53 |
VIRTUOS MIT SAMT UND SEIDE
Zu den wichtigsten schöpferischen Anregungen J. S. Bachs gehörte die damals noch neue Form des italienischen Instrumentalkonzerts: Ein oder mehrere Soloinstrumente werden einem Ensemble gegenübergestellt, wobei Tutti- und solistische Abschnitte einander abwechseln und über eine Folge virtuoser Episoden hinweg variiert und entfaltet werden.
Zu Studienzwecken arrangierte Bach zahlreiche Werke italienischer Komponisten für das Cembalo. Und er komponierte im Anschluss an diese Studien eigen Werke wie das berühmte „Italienische Konzert“ für den zweiten Teil seiner Klavierübung. Es ist ein Musterbeispiel für Bachs Kunst der kreativen Assimilation: ein Virtuosenkonzert im italienischen Gusto, kontrapunktisch dicht gewoben, welches die Solo- und Tutti-Partien von einem einzigen Spieler ausführen lässt.
Auf seinem neuem Recital spürt Justin Taylor dem italienischen Bach nach. Er spielt dieses und andere Konzerte oder Einzelsätze von Bach, Vivaldi, den Gebrüdern Marcello oder Alessandro Scarlatti auf dem historischen Cembalo des Schlosses von Assas, das um 1730 von einem anonymen Meister gebaut wurde. Äußerlich sieht man ihm seinen herrlichen Samt-und-Seide-Klang nicht an. Taylor nutzt das edle Klangspektrum für eine ebenso ausgewogen luzide wie kantabel schwingende Interpretation des „Italienischen Konzerts“. Vor allem der zweite Satz, der ein melodisches Solo gegen eine sehr transparente Begleitung setzt, singt bei ihm sehr schön.
Ebenso überzeugend gerät die „Chromatische Fantasie“, die man in diesem Kontext vielleicht nicht erwartet hätte. Doch ein vorangestelltes kurzes chromatisches Arpeggio aus einer Toccata von Alessandro Scarlatti schlägt die Brücke in den Süden. Solche vereinzelten „Brücken“-Sätze oder auch nur Kadenzen finden sich des Öfteren auf dem Album und verdeutlichen die Einflüsse, machen aber auch musikalisch Sinn. Taylor beleuchtet die gewagten harmonischen Progressionen Bachs bei aller Virtuosität mit einem klaren Licht, in dem sich die markanten Konturen und Gesten fein abrunden.
Die ebenso sensibel wie vitale Darbieutng der Bearbeitungen gefallen nicht weniger. Taylors technisch souveränes Spiel verbindet sich mit einer sinnlich atmenden Phrasierung und Artikulation. Sogar eine Transkription von Taylor selbst gibt es. Er hat sich das Largo aus einem Flötenkonzert von Vivaldi vorgenommen – es könnte in dieser Form auch von Bach stammen.
Der Interpret bleibt sich mit dieser Platte treu: Statt Gesamteinspielungen bevorzugt er lieber perspektivreich komponierte Programme mit Werken, die sich gegenseitig ergänzen und kommentieren. Sein ausgewogenes und unaufdringlich virtuoses Spiel, mit dem er sozusagen von einem französischen Standpunkt aus den italienisch-deutschen Kulturtransfer beobachtet, passt bestens dazu.
Georg Henkel
Trackliste
Antonio Vivaldi: Largo aus dem Flötenkonzert RV 443
Alessandro Scarlatti: Toccaten d-moll (Arpeggio) & g-moll (Largo)
Benedetto Marcello: Cembalosonate Nr. 7
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |