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Lusitano impero - Musik des portugiesischen Barock
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 08.09.2023 (Passacaille / Note 1 / CD / 2022 / Artikelnr. 1127) Gesamtspielzeit: 70:32 Internet: Real Câmara |
VOM RAND INS ZENTRUM
Portugal mag in unserer Vorstellung nicht das Zentrum der Barockmusik gewesen sein, erlebte unter König Johann V. ab 1707 aber eine kulturelle Blütezeit, in der man sich mit viel Geld und Einfluss bemühte, die Crème de la Crème unter den Komponisten und Musikern nach Lissabon zu holen bzw. zunehmend auch selbst dort auszubilden. Beispiele aus dem "Transfer-Ticker" sind etwa der Genueser Pietro Giorgio Avondano (1692-1755), der zum ersten Geiger des Lissaboner Hoforchesters avancierte oder Rinaldo di Capua (1705-1780), der in der portugiesischen Hauptstadt als Opernkomponist reüssierte. Andere europäische Größen lieferten zumindest zu oder hielten sich vorübergehend dort auf, wie der Händel-Konkurrent Giovanni Bononcini (1670-1747). Aber nach und nach erwuchsen auch die "Eigengewächse" zur Blüte, oft nach Studienaufenthalten in anderen Musikmetropolen, so wie sie etwa Francisco António de Almeida (1703-1754) absolvierte und von seiner Tour, neapolitanische und römische Einflüsse mit in die Heimat brachte.
Das Album Lusitano impero bietet einen guten Überblick über diese Epoche. Den Instrumentalteil steuern die fünf Divertimenti aus der Feder Avondanos bei, eigentlich als Sonaten für zwei Violinen plus Basstimme und ripieno konzipiert, wurden sie für diese Aufnahmen durch den Cembalisten Fernando Miguel Jaloto zu Concerti grossi erweitert. Eine seit jeher übliche Praxis, die gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass diese Divertimenti zwar recht hübsch aus den verschiedenen, vor allem venezianischen und nepaolitanischen Vorbildern fusioniert worden sind, gerade in der virtuos-führenden Violinstimme aber recht kurzatmig und vielfach auch eher solide als originell wirken. Einzig die Divertimenti in a-moll und e-moll kommen in einzelnen Sätzen zu einer originelleren und individuellen Tonsprache.
Die Vokalmusik ist mit Arien Bononcins, Almeidas und di Capuas vertreten. Dabei zeigt Bononcini seine Meisterschaft im Melos, der Ana Quintans mit glasklarem, warm timbrierten Sopran nachspürt. In ihrer Interpretation der Arien von Almeida und di Capua ergeht sie sich indes ein wenig zu sehr im unpsychologischen Wohlklang. Eine bislang unbekannte Seite Almeidas kann man anhand zweier Arien aus seiner nur unvollständig erhaltenen Oper "La Pazienza di Socrate" kennenlernen, der ersten komischen Oper auf Italienisch aus der Feder einer Portugiesen. Bariton Hugo Oliveira erlegt sich dabei unnötig viel Zurückhaltung auf, so dass das komische Potential nicht wirklich ausgeschöpft wird.
Dirigent Enrico Onofri, der vor über zehn Jahren schon ein ähnliches Album bei Dynamic ("1700 - The Century of the Portuguese") aufgelegt hat, führt das Orchester souverän. Der nicht immer in der ersten Liga spielenden Musik hätten etwas mehr dramatische Zuspitzung allerdings durchaus gut getan.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Giovanni Bononcini: Mio sposo t'arresta
Francisco Antonio de Almeida: Nell'incognito soggiorno; Ogni fronda ch'e mossa dal vento; Camminante che non cura
Rinaldo di Capua: Nacqui agli affanni in seno
Besetzung
Hugo Oliveira: Bariton
Real Câmara
Enrico Onofri: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |