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L’Âme-Son (Gitarrenbuch von Henry Grenerin 1680)
Info
Musikrichtung:
Barock / Gitarre
VÖ: 08.09.2023 (Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2022 / Alpha 1007) Gesamtspielzeit: 59:56 |
BESEELT
Der Titel des neuen Albums von Bruno Helstroffer ist doppeldeutig: „L’Âme-Son“ bedeutet eigentlich „Seelenklang“. Wenn man ihn aber nur ausspricht, klingt er wie „l’ameçon“, und das ist der „Köder“ oder auch „Angelhaken“.
Beides passt in diesem Fall, denn der Komponist, der hier erstmals im Zentrum einer Aufnahme steht, ist der französische Lautenist und Gitarrist Henry Grenerin, der zumindest einen Fischmeister als Großvater hatte, selbst aber als Musiker im 17. Jahrhundert im königlichen Orchester Ludwig XIV. an diversen großen Opernaufführungen mitwirkte und auch als Komponist hiervortrat. Vieles aus seinem Leben freilich liegt im Dunkeln, so auch das Geburts- und Sterbedatum.
Bruno Helstroffer ist angetreten, um Grenerin der Vergessenheit zu entreißen. Er hat dessen Biographie so weit möglich rekonstruiert und spielt eine Auswahl aus dessen 1680 erschienenen Gitarrenbuch, eine Sammlung, die unter anderem 16 Suiten für Solo-Gitarre enthält.
Als volkstümliches Gegenstück zur aristokratischen (und in der Herstellung deutlich teureren) Laute hatte die Gitarre in Frankreich seit dem 16. Jahrhundert eine eigene Karriere mit einer vor allem mündlich überlieferten Tradition.
Grenerin nun überträgt die sehr ausgefeilte Lautenkunst mit ihren polyphonen Satzkünsten auf das „niedere Instrument“ und adelt es damit als Instrument für die höfische Kunstmusik. Der runde, glockige Klang der barocken Gitarre hat hörbar sein Interesse geweckt und er präsentiert dieses Instrument als ebenbürtig zur Laute.
Dass dieses Experiment auch dreihundervierzig Jahre später gelingt, dafür sorgt Helstroffer mit seinem eloquenten Spiel, einer fein differenzierten Dynamik und dem Sinn für die oft versonnen-melancholischen Stimmungen der mehrheitlich kurzen Stücke. Vieles wirkt wie eine spontane Eingebung, die vom Spieler kunstvoll improvisierend umgesetzt wurde - und doch waltet überall ein klares Bewusstsein für die Form.
Neben dicht gesetzten, reich ornamentierten Tanzsätzen, die ähnlich komplex sind wie das prächtig gestaltete Schallloch von Helstorffers Gitarre, gibt es zahlreiche ruhige Abschnitte, in denen die Musik in Raum und Stille eingebettet ist – ein Einladung zum meditativen Hören auf der Spur dieser verführerischen „Seelenklänge“.
Die Aufnahme ist ziemlich direkt und voll ausgesteuert, auch bei geringerer Lautstärke geht keine Nuance verloren.
Georg Henkel
Trackliste
Zwei Airs von Antoine Boesset (Je Meurs Sans Mourir) und Jean de Cambefort (Recit de la Lune)
Besetzung
Chantal Santon Jeffery (Gesang bei den Airs)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |