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Lindisfarne

Radio Times Live At The BBC 1971-90

Info Musikrichtung: Folk Rock VÖ: 31.03.2023 (Repertoire Records) Gesamtspielzeit: 530:28 Internet: https://www.lindisfarne.co.uk/ https://www.repertoirerecords.com/ https://www.brooke-lynn-promotion.de/

Die Siebziger, das war eine Blütezeit des britischen Folk Rocks. Fairport Convention, Pentangle, Steeleye Span und dann waren da noch Lindisfarne, die im Gegensatz zu den Vorgenannten keine Leadsängerin als "Aushängeschild" vorweisen konnten.
Lindisfarne, ja, das bringe ich auch mit dem gleichnamigen Kloster in Verbindung. Ich erinnere mich, dass ich mit 2 Freunden auf dem Weg nach Schottland einst am Straßenrand an der Ostküste Englands nächtigte und am morgens einen wunderschönen Sonnenuntergang erlebte, im Hintergrund die Silhouette des Klosters. Dazu hätte die Musik der Band sicher gut gepaßt.

Die Band gründete sich 1969 in Newcastle als Folkrockband, und wenngleich vielleicht auch nicht so ganz bekannt wie die oben Genannten, konnten sie durchaus auch einige Hits aufweisen, wie zum Beispiel "Lady Eleanor", "Meet Me On The Corner", "Fog on the Tyne". Letzteres gleichnamiges Album zählte gar im Jahre 1972 als das meistverkaufteste Album einer englischen Band im UK, und stieg auch auf Platz 1 der Charts.

Zunächst firmierte man unter den Bandnamen The Downtown Faction und Brethren, bis Alan Hull dazu stieß und Lindisfarne geboren war. Als Hull 1995 starb, führte man die Band weiter, jedoch erschienen nur noch zwei Studioalben und einige Livemitschnitte. Live sind auch diese Mitschnitte, die sich auf den acht CDs dieser aktuellen Kompilation finden, Radio Times Live At The BBC 1971-90.

Präsentiert werden mehr als acht Stunden Musik, die Hälfte davon gilt als unveröffentlicht. Ihr Sound, der sich über die Jahre entwickelte, wird hinsichtlich des Zeitraumes der Aufnahmen, also zwischen 1971 und 1990, entsprechend dargestellt. Ursprünglich hatte man sich grundsätzlich solcher Melodien zugewandt, die sich aus der Kultur britischer Folklore ergab, gesungen wurde das Ganze mit einem stark harmonisch geprägten Stil, und umgesetzt in einem Umfeld zwischen akustischen und elektrischen Instrumenten. Zwischen Pub-Songs zum Mitsingen und ernsthaften durchdachten Arrangements entwickelte sich, ganz besonders hinsichtlich des Folk-Hintergrundes von Alan Hull, ihr individueller Sound, der anfänglich auch noch Spuren von Musik der Hippie-Kultur mit sich führte. Nach und nach entfernte man sich von frühen Folk-Einflüssen und es wurde rockiger und mitunter auch ein wenig poppiger.

Zusammengestellt wurde diese umfangreiche Sammlung von Colin Harper mit den Gründungsmitgliedern Rod Clements, Ray Jackson & Ray Laidlaw, und für den überwiegend guten Klang hat Martin Stansbury gesorgt. Die Songs sind chronologisch geordnet und mehr zur Band erfährt man im Booklet von vierundvierzig Seiten Umfang, außerdem enthält es alle Daten zu den Aufnahmen und Angaben zur jeweiligen Besetzung.

Wir hören Songs aus 1971 auf der ersten CD, diese sind soundtechnisch recht unterschiedlich, so klingen einige recht gut, andere wiederum ein wenig dumpf, aber letztlich kann man nicht von Bootleg-"Qualität" sprechen, sondern alles ist durchaus gut anzuhören und repräsentiert den frühen Stil der Band sehr gut. Die Songs der zweiten CD erklingen nun bereitsm, obwohl aus dem gleichen Jahr, mit einem viel besseren Klang. Das gilt auch für CD 3. Interessant ist es, den jeweiligen der Moderatoren der Shows zu lauschen, das spiegelt dann auch wieder ein wenig Radiogeschichte wider. Lustig, wenn John Peel auf der vierten CD startet mit "To this stage of the program we have to bring you some very depressing news...., we will have for the second half of the program, we will have with us in the studios tonight.....: The Osmonds". Man lacht und John verweist auf die zahlreichen Fans im Studio....

Mit der vierten CD gibt es auch den ersten zeitlichen Sprung, wir schreiben nun die Jahre 1973 und 1974. Klanglich gibt es nichts auszusetzen, ansonsten klingt die Band hier irgendwie anders. Ein Blick auf das Line-up verrät, dass nur noch Hull und Jackson anwesen waren. Die folkigen Anteile scheinen ein wenig entschwunden, die Band rockt nun entschiedener, mitunter vernehme ich hier Anklänge an Bands der US-amerikanischen Westcoast, auch an The Grateful Dead muss ich manchmal denken, andere Songs werden nun aufgefahren, nur "Lady Eleanor" darf nicht fehlen, und hier und bei anderen Klassikern kann man beim Überblick auf die acht CDs entdecken, wie sich die Band musikalisch entwickelte.

Sowohl auf der fünften und der sechsten CD gibt es wieder die alte Besetzung zu hören, wir sind einerseits im Jahre 1978, dieses Konzert auf Album fünf stammt vom 8.November 1978 und wurde an der Essex University mitgeschnitten. Doch auch hier bemerkt man, wie man sich mehr am Rock orientierte. 1981 und 1982 werden dann auf CD sechs abgebildet und hier kommt ein kleiner "Schock". Denn die ersten elf Songs klingen wirklich nicht gut und enttäuschen klanglich sehr. Gut, dass das mit dem Rest der Platte wieder besser ist, denn die sechs Songs vom Cambridge Folk Festival klingen wieder einwandfrei. Musikalisch hat doch nun tatsächlich auch Popmusik Einzug gehalten. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die damals erschienene Platte "Sleepless Nights".

Disc 7 deckt die Jahre 1984 und 1986 ab, hier spielt mit dem Saxofonisten Marty Craggs ein weiterer Musik mit, und die Musik scheint noch mehr von den Ursprüngen entfernt zu sein, mittlerweile wies ihre Musik auch Spuren von Blues auf. Auf der letzten CD der Sammlung empfängt mich erst einmal ein Mitschnitt eines Konzertes aus der Newcastle City Hall vom 20.Dezember 1990. Entsprechend des enthaltenen Songs "Warm Feeling" stelle ich genau das fest, nämlich, dass die Musik dieses Konzerts in der Heimatstadt ein wirklich warmes Gefühl ausstrahlt, es klingt zufrieden, ich kann die Quellen der Ursprünge wieder plätschern hören. Ein kleines Schmankerl bieten dann die drei letzten Titel, für die Paul Jones Rhythm & Blues Show eingespielt am 1.Oktober 1987, ohne Alan Hull, denn der war ja ursprünglich noch nicht dabei bei der Vorläuferband Downtown Faction, und unter diesem Namen tritt man dann auch auf. Und hier wird dann überraschend ein ganz anderes Gesicht gezeigt. Drei Songs im Fahrwasser des Blues, abgeschlossen mit dem Klassiker "Checkin' On My Baby", ja, hier zeigen die Burschen, wie gut sie den Blues britischer Prägung draufhatten.

Wolfgang Giese