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Reviews

Oceans Of Slumber

Oceans Of Slumber


Info

Musikrichtung: Prog-Metal

VÖ: 04.09.2020

(Century Media)

Gesamtspielzeit: 71:39

Internet:

http://www.oceansofslumber.com

Als selbstbetitelte Alben findet man oftmals entweder Erstlingswerke oder aber solche, die in gewisser Weise einen Neuanfang markieren sollen. Im Falle von Oceans Of Slumber scheint zweitgenannte Variante zutreffen zu sollen, denn es handelt sich bereits um Album Nummer 4, aber dafür eins, das mit zu 50% erneuerter Besetzung eingespielt wurde: Beide Gitarristen und der Keyboarder sind neu an Bord. Dass sich auch die neue Besetzung nicht als stabil erweisen würde, konnte das Führungsduo aus Sängerin Cammie Gilbert und Drummer Dobber Beverly zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht ahnen, auch wenn die strukturell schwierige Lage schon anhand der Thankslisten zu erahnen ist, wird aus diesen doch deutlich, dass Keyboarder Mat V. Aleman mit Necrofier und Malignant Altar noch zwei weitere Bands am Start hat und Gitarrist Jessie Santos mit Fall und Shattered Sun auch noch zwei weitere. Ergo wurde nach dem Fünftling Starlight And Ash, der noch nicht in die heiligen Hallen des Rezensenten gefunden hat, abermals eine Veränderung beim Personal realisiert, da gleich beide Gitarristen die Formation verließen, wobei zum Rezensionszeitpunkt mit Chris Jones zumindest eine Planstelle wieder besetzt werden konnte.
Das Attribut, noch nicht in den heiligen Hallen des Rezensenten vorhanden zu sein, trifft allerdings auch auf die ersten drei Alben der Amerikaner zu – Vergleiche mit ihnen können an dieser Stelle also nicht gezogen werden, und das mit dem eingangs geschilderten Neuanfang trifft somit in gesteigertem Maße hier zu. Das selbstbetitelte Werk jedenfalls ist klar und deutlich im düsteren Progmetal anzusiedeln – für diese Einschätzung reicht schon ein einmaliges Hören des Openers „The Soundtrack To My Last Day“ aus, der zwischen etwas härtere Passagen auch längere atmosphärische Ausflüge mischt, in denen Gilberts schöne Klarstimme besonders intensiv zur Geltung kommt. Ob auch sie es ist, die für die gelegentlich eingestreuten herben Grunzvocals verantwortlich zeichnet, kann an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden – gut möglich, dass wir in dieser Lage Gitarrist Jessie Santos im Zweitjob hören. „The Colors Of Grace“ fährt dann allerdings einen Gast am Mikrofon auf, nämlich Mick Moss von Antimatter, und wer deren musikalisches Schaffen kennt, der kennt auch schon einen der Eckpfeiler, den man anführen kann, wenn man das musikalische Schaffen von Oceans Of Slumber beschreiben will. Von den besagten Eckpfeilern gibt es freilich noch einige weitere, darunter auch überraschende. Mit einem mutzlig-warmen Instrumental der Marke „Imperfect Divinity“ etwa wäre in diesem Umfeld nicht unbedingt zu rechnen gewesen, fände dieses doch auch einen theoretischen Platz auf Nightwishs Imaginaerum-Album, dort dann freilich in wohl etwas komprimierter Form. Der heftige Einstieg ins folgende „The Adorned Fathomless Creation“ kombiniert historischen niederländischen Doom Death (denke an Orphanage!) mit einigen rhythmischen Verschiebungen, die anmuten, als ob beim Mix einige Spuren gehakt hätten, wobei Dobber bestimmte Drumfiguren auch im Rest des Songs auffährt, damit klarmachend, dass diese Strukturen nicht zufällig entstanden sind. Hier und da schießt der Drummer im Willen um Progressivität auch übers Ziel hinaus. Dass das sich lange nach einer Anathema-Ballade anhörende „Pray For Fire“ im Verlaufe seiner Spielzeit doch noch mit härteren Passagen ausstaffiert wird, paßt ja noch in die Dynamik, aber das plötzliche Blastbeatgeprügel hinterläßt einen eher bemühten Eindruck. Im erwähnten „The Adorned Fathomless Creation“ finden wir dann freilich noch eine Steigerungsstufe dieses Elements: Die anderen spielen Doom, und Dobber wechselt zeilenweise zwischen Doom und Blastspeed. Irgendwie bekommt man den Eindruck, der Schlagwerker sei hyperaktiv, wenn man sich beispielsweise mal vergegenwärtigt, was er neben dem relativ ruhigen Grundrhythmus des balladesken „To The Sea (A Tolling Of The Bells)“ noch so spielt, den besagten ruhigen Grundrhythmus damit völlig konterkarierend. Könnte natürlich Absicht sein – ironische Brechung ist in der Musiktheorie ja ein völlig legitimes Mittel der Stimmungserzeugung -, nur wundert einen die Anwendung hier dann doch etwas. Zum Glück hält sich der Drummer in „The Colors Of Grace“ diesbezüglich etwas zurück, denn eine intensivere Schlagzeugarbeit hätte die Atmosphäre dieses hübschen Düsterduetts nachhaltig untergraben, und anspruchsvoll genug ist es auch in der hier zu hörenden Form noch. Moss‘ und Gilberts Stimmen gehen eine wirkungsvolle Symbiose ein, und das Ergebnis wäre auch auf einem Antimatter-Album nicht deplaziert gewesen – oder auf einem von Anathema, die einen weiteren markanten Eckpfeiler des Sounds von Oceans Of Slumber bilden. „I Mourn These Yellowed Leaves“ wiederum bietet einen Einstieg, den auch Type O Negative ähnlich hätten gestalten können, kombiniert dann aber Frühneunziger- und Nuller-Gathering, im Mittelteil zweimal wieder so eine komische Dobber-Einlage auffahrend, wo diesmal die Vocals das langsame Tempo dominieren, während der Drummer auf sein Kit einprügelt. Irgendwas muß es also mit diesem Element auf sich haben – Kenner der Band können vielleicht Genaueres dazu sagen und zudem die Frage beantworten, ob sich Ähnliches auch auf den anderen Tonkonserven der Band findet.
Mit „September (Momentaria)“ steht noch ein weiteres Instrumentalstück auf der Platte, abermals durchgehend ruhig-entspannten Charakters, was vielleicht auch daran liegt, dass der Drummer hier ans Grand Piano wechselt. Okay, auch an diesem könnte man wüst-komplexen Lärm machen, aber das ist an dieser Stelle wohl nicht Sinn und Zweck der Sache. Plötzlich ausbrechende Blasts kann der Drummer ja dann im anschließenden „Total Failure Apparatus“ unterbringen, auch wieder an Stellen, wo man sich eher kopfschüttelnd (nicht headbangend!) nach dem Sinn im Kontext fragt. Ansonsten zählt der intensive Doom dieser Nummer nämlich zu den stärksten Einfällen auf dem Album, auch die Sängerin gibt ihr Bestes und rückt hier ein klein wenig in Richtung Anneke van Giersbergen, ohne natürlich die Niederländerin zu kopieren, und die Vocals bieten im hinteren Teil, der diesmal etwas logischer in eine Tempoattacke ausbricht, noch zwei Farben, die man bisher noch nicht kannte: ultratiefes Gegrunze an der Grenze zum Geräusch und appellierendes halbhohes Shouting. Als Gothic-Ballade hingegen gebärdet sich „The Red Flower“, wonach eine solide Version des Type-O-Negative-Klassikers „Wolf Moon“, den Oceans Of Slumber gekonnt ein Stück weit in ihren Stil transferiert, aber auch noch viel Steele-Stil beibehalten haben, die 71 Minuten Musik abschließt. Erstaunlicherweise will die Stimme der Sängerin, sonst ein Trumpf der Band, hier aber nicht so richtig passen, und man ist sich nicht so richtig sicher, obwohl oder gerade weil sie keinen Versuch unternimmt, auch nur ansatzweise so wie Steele zu klingen, sondern einfach das tut, was sie in den Eigenkompositionen auch macht. Wundert es übrigens jemanden, dass Dobber auch hier zwischendurch mal wieder in Aktionismus verfällt?
Ansonsten ist ein Name bisher noch gar nicht gefallen, der aber die Schnittmenge der Band am besten wiedergibt: Opeth. Nun kopieren die Amis Akerfeldt & Co. nicht einfach, aber die Herangehensweise an diese teils extreme Form des düsteren Progmetals mit zugleich zahlreichen atmosphärisch-ruhigen Passagen ähnelt in gewisser Weise der, die die Schweden hauptsächlich in den Spätneunzigern und den Nullern pflegten. Wer damit gut klarkam und vielleicht Akerfeldt die metallische Reduzierung ab den 2010ern übelnahm, könnte das selbstbetitelte Oceans-Of-Slumber-Werk prinzipiell mögen – die seltsamen Hyperaktivitätsattacken in den Drums heischen aber auch in diesem Fall Vorsicht, zumal das Schlagzeug im Endmix auch noch relativ weit vorn plaziert wurde.



Roland Ludwig

Trackliste

1The Soundtrack To My Last Day7:35
2Pray For Fire7:28
3A Return To The Earth Below5:39
4Imperfect Divinity3:42
5The Adorned Fathomless Creation6:43
6To The Sea (A Tolling Of The Bells)5:11
7The Colors Of Grace4:35
8I Mourn These Yellowed Leaves8:16
9September (Momentaria)4:03
10Total Failure Apparatus6:33
11The Red Flower4:56
12Wolf Moon6:51

Besetzung

Cammie Gilbert (Voc)
Jessie Santos (Git, Voc)
Alexander Fernandez (Git)
Mat V. Aleman (Keys, Theremin)
Semir Ozerkan (B)
Dobber Beverly (Dr, Git, Piano)
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So bewerten wir:

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