Reviews
The Death Of Gaia
Info
Musikrichtung:
Doom Death Metal
VÖ: 13.12.2019 (Transcending Obscurity) Gesamtspielzeit: 56:04 Internet: http://www.officiumtriste.com |
Die Liveaktivitäten zur Promotion dieses Albums führten Officium Triste am 1.2.2020 auch ins Leipziger Bandhaus, woselbst der Rezensent die Band erlebte (wir vergegenwärtigen uns: Das war kurz vor dem hiesigen Ausbruch einer gewissen Pandemie). Zum Erwerb der Scheibe kam es damals nicht – der fand erst jetzt, etliche Jahre später, statt, aber da es sich immer noch um das aktuelle Werk der Niederländer handelt, lohnt sich eine eingehende Betrachtung auch jetzt noch, zumal sich The Death Of Gaia als ein exzellentes Stück Musik darstellt. Das war anhand des Liveeindrucks bereits zu erahnen, aber noch nicht in voller Schönheit wahrnehmbar gewesen: Der Keyboarder konnte damals in Leipzig nicht dabei sein, also wurden seine Parts vom Band eingespielt, und es dauerte bis zum dritten Song, bis der Soundmensch es geschafft hatte, diese Passagen auch während des Livespiels der anderen Instrumente klar durchhörbar zu gestalten. Nun bildeten aber die beiden Albumopener „The End Is Nigh“ und „World In Flames“ auch die beiden Setopener, und später stellte besagtes neues Album nur noch die Zugabe „Like A Flower In The Desert“ – gerade „The End Is Nigh“ aber lebt ganz besonders stark von dem melodischen Keyboard-Hauptthema und entfaltet seine wahre Klangpracht in den Ohren des Rezensenten daher nun erst, da es aus den Boxen seiner Stereoanlage erschallt.
Aber das ist natürlich nicht das einzige Highlight, das die 56 Minuten Musik bereithalten, wenn auch, wie sich in der Gesamtbetrachtung herausstellt, der strahlendste. Das Sextett pflegt nach wie vor den klassischen romantischen Doom Death, der in den Neunzigern besonders von Bands aus den Niederlanden dargeboten wurde, bis sich die meisten von ihnen allerdings musikalisch auf neue Pfade begaben oder aber wie Morphia gleich ganz auflösten. So standen Officium Triste eine Zeitlang mit diesem Stil fast allein auf weiter Flur (das neue Werk von Phlebotomized, das gerüchteweise wieder back to the roots gehen soll, hat der Rezensent noch nicht gehört), aber sie bleiben stolz bei ihrem Leisten, und die Qualität der acht auf The Death Of Gaia verewigten Songs gibt ihnen zweifellos recht. Zwar ragt der genannte Opener wie erwähnt noch einmal explizit aus dem Material heraus, aber auch das den Beat geringfügig erhöhende „World In Flames“ besitzt so ein hypnotisches melodisches Hauptthema, in diesem Fall aus der Gitarre kommend, dass man am liebsten Tulpensträuße in die Niederlande schicken würde, fiele einem nicht noch rechtzeitig ein, dass dieses Unterfangen wenig praktischen Sinn besäße. „Shackles“ schraubt das Tempo wieder deutlich nach unten, kommt aber nach zwei Dritteln seiner Spielzeit plötzlich mit einem Akustikbreak daher, das eine Art Prog-Doom-Finale einleitet, in dem Sänger Pim Blankenstein von seinem vorherrschenden Grunzen in eine Art Sprechgesang wechselt, was er im folgenden „A House In A Field In The Eye Of The Storm“ gleich nochmal tut. Das ist der Song mit dem längsten Titel unter den acht, aber der mit Abstand kürzeste, was die Spielzeit angeht – die nur reichlich zwei Minuten besitzen mehr Zwischenspielcharakter, bleiben lange instrumental, bis doch noch vier Zeilen Text kommen, die aufgrund einer Widmung im Booklet allerdings doch eine spezielle Bedeutung für die Band zu haben scheinen, so dass der scheinbare Zwischenspiel-Charakter offenbar doch höher anzuhängen wäre.
In gewohnte und zugleich ungewohnte Gefilde begeben wir uns dann mit „The Guilt“. Mariska van der Krul, die bereits in „The End Is Nigh“ ergänzend zu hören gewesen war, liefert hier einige Klargesangsstrophen mit einer Stimme irgendwo zwischen Anneke van Giersbergen und Simone Simons ab, und auch Cellistin Elianne Anemaat, die schon im Opener mitgewirkt hatte, steht jetzt hier mit einem großen Hauptthema im Mittelpunkt. Geiger Chris Davies, ebenfalls im Opener schon im Einsatz, steuert zu „Just Smoke And Mirrors“ eine allerdings nicht so stark prägende Linie bei – hier fallen die Gitarrenmelodien stärker auf, wobei Vigo van Dijk und Chiara Kwakernaak noch mit einer Art Sprechgesang hinzutreten und diesem relativ luftig-leichten Song (für Doom-Death-Verhältnisse natürlich) ein weiteres Element der Vielfalt hinzufügen, ohne die Grundsubstanz zu verwässern. Die kindlich wirkenden Passagen atmen dabei durchaus einen ähnlichen Geist wie die in Nightwishs „Dead Boy’s Poem“, und wenn man mal genau hinhört, wie quasi beschwingt sich der Grundrhythmus hier gestaltet, kommt man nicht umhin, Officium Triste ein ganz besonderes Händchen zu bescheinigen, wie man ein nicht leicht zu durchdringendes Genre gleichermaßen eingängig, zugänglich und anspruchsvoll gestaltet. In diese Argumentation paßt auch „Like A Flower In The Desert“, Drummer Niels Jordaan hier in den Rahmenteilen in einen Midtempo-Beat schickend, den Keyboarder Martin Kwakernaak noch mit spaceartigem Fiepen untermalt – und würden sich die Gitarren hier nicht im klassischen Gestus gebärden und nur mal kurz gen Mittneunziger-Amorphis schielen (ein beliebtes Stilmittel bei Officium Triste), man hätte quasi ein Pendant zu Phlebotomizeds abgepfiffenem Zweitling Skycontact vor sich. Blankenstein streut hier zudem halbhohen Cleangesang ein, und die Wirkung, die er damit erzielt, ist deutlich stärker als in der Livesituation, obwohl man auf der Konserve die Instrumentalmelodik ja nochmal deutlicher wahrnehmen kann als im Livesound – der Unterschied zum Liveeindruck kann hier also ursachenseitig nicht weiter verfolgt werden. Dass der Drummer im Finale an ein, zwei Stellen einen Deut zu hektisch agiert, soll nicht überbewertet werden. Mit „Losing Ground“ schließt der einzige Song mit zweistelliger Minutenzahl das Album ab, und auch hier hören wir Blankenstein zwischendurch als Cleansänger, allerdings mit einer Art Vintage-Effekt, so dass er sich in den pianodominierten Passagen so anhört, als käme sein Gesang von einer alten Schallplatte, was dem ansonsten abermals klassischen Doom Death noch eine ganz neue Dimension verleiht. Auch das hochspannende lange Klavierbreak im Mittelteil trägt maßgeblich zur Erkenntnis bei, es bei Officium Triste mit Meistern ihres Faches zu tun zu haben, auch wenn wie erwähnt die außerordentlich hohe Qualität und überirdische Schönheit von „The End Is Nigh“ im weiteren Verlaufe nicht wieder erreicht werden kann. Aber für so ein „Problem“ würden andere Bands ihre Schwiegermütter meistbietend versteigern. Für ein Doom-Album sehr auffällig ist auch die ganz und gar nicht finstere optische Gestaltung – Gaia und vor allem Flora zeigen sich durchaus lebendig, auch wenn „Losing Gound“ und damit The Death Of Gaia tatsächlich mit dem durch die typischen Geräusche medizinischer Geräte symbolisierten Tod endet. Aber vielleicht kommt’s auf dem Folgealbum ja zur Auferstehung ...
Roland Ludwig
Trackliste
1 | The End Is Nigh | 7:24 |
2 | World In Flames | 6:09 |
3 | Shackles | 7:48 |
4 | A House In A Field In The Eye Of The Storm | 2:24 |
5 | The Guilt | 7:42 |
6 | Just Smoke And Mirrors | 6:56 |
7 | Like A Flower In The Desert | 7:19 |
8 | Losing Ground | 10:20 |
Besetzung
Gerard De Jong (Git)
William van Dijk (Git)
Martin Kwakernaak (Keys, Ac.-Git)
Theo Plaisier (B)
Niels Jordaan (Dr)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |