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Suprising Royer
Info
Musikrichtung:
Barock / Orchester
VÖ: 05.05.2023 (Aparté / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2021 / AP298) Gesamtspielzeit: 82:00 |
BEGEISTERND
Man spürt ihn gleich, den Enthusiasmus, mit denen sich Christophe Rousset und Les Talens Lyrique den Orchestersuiten aus den Opern von Pancrace Royer widmen. Man versteht auch sofort, wieso die Musik ihnen so viel Spaß macht und fragt sich im gleichen Moment, wieso vor ihnen noch niemand auf die Idee gekommen ist, diese Pralinen aus der französischen Rokoko-Manufaktur zu kredenzen.
Royer, der 1703 in Turin geboren und in jungen Jahren nach Paris gekommen war, legte dort nämlich eine glänzende Musikerkarriere als Lehrer, Komponist und Intendant der Pariser Oper hin, mit besten Beziehungen zum Königshaus. Das kann angesichts seiner unüberhörbaren Talente auch nicht verwundern. Auf dem Plattenmarkt waren die bislang vor allem in Form seiner brillant-virtuosen und einfallsreichen Cembalostücke zu bewundern (die u. a. Rousset schon früh eingespielt hat): Qualitäten, die auch seine Instrumentalmusik insgesamt charakterisieren.
Royer gehört zu jener Generation von Komponisten, die die Früchte ernten konnten, die Rameau mit seinen Neuerungen der französischen Musik des 18. Jahrhunderts beschert hatte. Der junge Komponist hat offenbar genau hingehört, manches von ihm könnte auch von Rameau stammen. Doch komponierte er weniger komplex und „gelehrt“ als sein Vorbild und war damit für die Ohren seiner Zeitgenossen auch weniger kontrovers.
Voller schöner Ideen steckt seine Musik trotzdem, auch was überraschende Wendungen, harmonischen Reichtum und die Instrumentation betrifft. Der Eindruck ist vielleicht im Ganzen flächiger und vollmundiger als Rameaus Kunst und auch offensichtlichen Effekten nicht abgeneigt. Man höre nur die ausladenden Chaconne aus dem Opernballett „Le Pouvoir de L’Amour“ von 1743 mit ihren gepfefferten Repetitionen und strahlenden Trompetentriller-Ketten in den Ritornellen. Verschwenderisch und mitreißend, wie die ganze Suite.
Auf der Platte findet sich auch eine Suite aus Royers erfolgreichstem Werk, der Oper „Zaïde, reine de Grenade“ von 1739. Sie steckt voller eingängiger Tänze. Vor allem die Jagdmusiken mit obligatem Horn galten seinerzeit als herausragende Inventionen und bestechen auch heute noch mit ihrem Feuer. In dieser Suite findet sich auch ein als „Air pour le Turcs“ bezeichnetes Rondo, das Royer später zu seiner berühmten Cembalo-Parforce „La marche des Scythes“ auskomponiert hat. Die wilden Janitscharenklänge des Originals wandeln sich dort zum Pferdegalopp eines kriegerischen Reitervolkes. Auch der düster-majestätische „Marche pour le sacrific“ aus dem oben erwähnten „L’Amour“-Ballett hat später seinen Weg auf die Klaviatur gefunden. Es ist interessant, diese Metamorphosen im Werk Royers zu verfolgen.
Wo man auf dieser Platte auch reinhört, es wird das Ohr gekitzelt oder betört: Ein Barockfest! Das ist sicher auch ein Verdienst der famosen Interpretation, die der Musik nichts an Einfühlungsvermögen und energetischer Virtuosität schuldig bleibt. Diese Begeisterung ist ansteckend.
Es ist bedauerlich, dass Royer etwas überraschend schon im Alter von 52 Jahren verstorben und die Partitur seiner letzte Oper „Prométhée et Pandore“, die damals kurz vor der Aufführung stand, wohl verloren ist. Aber auch so gibt es noch genügend zu entdecken, wie Lionel Sawkins in seinem Begleittext aufzeigt. Aufführungen von kompletten Bühenwerken Royers sind nach wie vor eine Rarität, von kompletten Aufnahmen ganz zu schweigen ("Pyrrhus" immerhin ist 2014 beim Label Alpha erschienen.) Aber es sollte einen wundern, wenn Christophe Rousset als Experte für „schwierige Fälle“ diesbezüglich nicht schon weitergehende Pläne verfolgt …
(Im Booklet sind die Spielzeiten der Stücke durcheinander geraten, offenbar wurden ganze Blöcke einfach vertauscht, das trübt das Vergnügen an der Aufnahme freilich nicht.)
Georg Henkel
Trackliste
Zaide, Reine de Grenade-Suite (inkl. Alternativ-Versionen zweier Sätze)
Almasis-Suite
Pyrrhus-Suite
Besetzung
Christophe Rousset, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |