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Serse
Info
Musikrichtung:
Barockoper
VÖ: 02.06.2023 (Linn / Outhere / Note 1 / CD / 2022 / Artikelnr. CKD 709) Gesamtspielzeit: 172:38 Internet: The English Concert |
KURZWEIL
Mit ihrem revuehaftem Charakter und ihrer ironischen Brechung der operntypischen Zutaten rund um "Kabale und Liebe" ist Händels Serse heute eine seiner beliebtesten Opern. Nicht zuletzt dadurch, dass der Komponist hier nur an Schlüsselstellen die da Capo-Form der Arie wählt, diese ansonsten aber meist einteilig durchkomponiert bzw. zu Arioso und Kavatine greift, zudem Chöre und Duette einstreut, sorgt er für eine rasche Szenenfolge, die unseren heutigen Seh- und Hörgewohnheiten durchaus entgegenkommt. Da ein Ohrwurm den anderen jagt, schadet es dann auch nicht, dass Händel mit "Ombra mai fu" seinen Top 10-Hit gleich am Anfang verheizt - wer hat, der hat. Seine Zeitgenossen vermochte die Oper übrigens gleichwohl nicht recht zu überzeugen; vielleicht war es dann doch zu unernst, zu ungewohnt oder schlicht sängerisch damals nicht überzeugend besetzt. Insofern wäre "Il caro Sassone", wie die Engländer "ihren" Händel liebevoll nannten, zweifellos entzückt von der kurzweiligen und ungemein frischen Interpretation, die Harry Bicket mit seinem Orchester The English Concert und einer illustren Sänger:innenriege jetzt vorstellt.
The English Concert ist noch immer der bekannt silbrig-helle Grundsound eigen. Bicket aber hat es im Laufe der Jahre geschafft, diesen mit dramatischem Pepp zu versehen und ihm zusätzlich einen tänzerisch-geschmeidigen Duktus zu verleihen. Das tönt unmittelbar kraftvoll, farbenreich und - dank superber Tontechnik - auch außerordentlich präsent, ohne die Vokalpartien zu überdecken. Bei diesen hat man zum Glück von dem Versuch Abstand genommen, die Titelrolle (wie es historisch korrekt wäre) einem Mann und damit heute einem Countertenor anzuvertrauen. Stattdessen zeigt Emily D´Angelo, was echte Mezzo-Kunst vermag: Ihr Serse ist beileibe kein harmloser Fürst Arkadiens, sondern hat sehr wohl gefährlich aggressive Züge, nicht selten auch eine unheimliche Seite.
Diese Besetzungsentscheidung bringt zwangsläufig das Problem mit sich, mit gleich drei Mezzosopranen agieren zu müssen. Aber man kann aus dieser Herausforderung einen Gewinn machen, wenn man so klug wählt, wie Bicket es getan hat, denn stimmfarblich bleiben Paula Murrihy und Daniela Mack jederzeit unterscheidbar, stehen in punkto Virtuosität und dramatischer Rollengestaltung zudem dem Serse in nichts nach. Eine Klasse für sich ist Lucy Crowe in der Rolle der Romilda: Immer wieder genüsslich am Rande des wunderschön ausgekosteten Wahnsinns entlangschrappend, dabei mal hell aufstrahlend und dann wieder mit stählerner Tongebung zupackend. Auch die weiteren Partien sind bestens besetzt, wobei Neal Davies (Bassbariton) gelegentlich mit profunder Bass-Schwärze überrascht.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Besetzung
Paula Murrihy, Mezzosopran: Arsamene
Daniela Mack, Mezzosopran: Amastre
Lucy Crowe, Sopran: Romilda
Mary Bevan, Sopran: Atalanta
Neal Davies, Bassbariton: Ariodate
William Dazeley, Bariton: Elviro
The English Concert
Harry Bicket: Ltg
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |