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Preludes - Visions fugitives - Klaviersonate Es-Moll
Info
Musikrichtung:
Klavier / Klassische Moderne
VÖ: 03.03.2023 (Fuga Libera / Note 1 / CD / DDD / 2021 / FUG 812) Gesamtspielzeit: 77:53 |
KLANGSINN UND ANALYSE
Eine Produktion, die aufhorchen lässt: Wer die Referenzen für Claude Debussys „Preludes“ im Ohr hat, wird in der Einspielung des ersten Buches von Konstantin Emelyanov tatsächlich neue, ungewöhnliche Perspektiven entdecken. Der russische Pianist realisiert diese Musik gleichsam als Quadratur des Kreises, wenn er die zeichnerische Figur im Malerischen und die sprechende Geste im Atmosphärischen aufspürt. Auf der Basis einer tadellosen Technik und Geläufigkeit nähert er sich den sattsam bekannten Stücken mit einer beobachtenden Neugierde und legt verschiedene kompositorische und pianistische Schichten frei, ohne das Ganze aus dem Blick zu verlieren.
Eine sorgfältig abgestufte Phrasierung und Artikulation verbinden beispielsweise die sonst so elegant wehenden Segel der „Voiles“ mit flüchtigen Eindrücken von Masten und leise knarrenden Takelagen. In „Des pas sur la neige“ bekommen die Spuren im Schnee etwas leicht Unsicheres, Tastendes. Die Erzählungen des Westwinds wirken beunruhigend und die unterbrochene Serenade bekommt etwas Slapstickhaftes, ohne albern zu wirken. Die versunkene Kathedrale prunkt mit weniger Grandeur als sonst, erscheint allerdings, Dank der innerlich belebten Akkorde, als differenziert durchgestaltete Klangarchitektur.
Wie überhaupt die Haptik von Debussys Musik hier eine gewisses Rauigkeit bekommt. Dafür sorgt neben manchmal deutlich schnelleren Tempi auch kleine, organische Temporückungen, durch die einzelne Phänomene herausgestellt werden und vorrübergehend in den Vordergrund treten. Zwar mag man das klanglich üppigere Parfüm anderer Interpretation und gewisse Schwebezustände vermissen. Emelyanov entdeckt dafür Modernismen in Debussys Musik, die erst im späteren 20. Jahrhundert zum Tragen kommen.
Von daher ist die Kopplung mit Sergei Provkofievs impressionistisch inspirierten Klavierzyklus „Visions fugitives“ ebenso sinnig wie mit der Es-Moll-Klaviersonate Samuel Barbers. Auch hier frappiert die Transparenz und Klarheit des Zugriffs selbst in der dichtesten Polyphonie. Prokofievs Minaturen, die oft nicht eine Minute währen, deuten große Tableaus bzw. „Charaktere“ an, die in der Imagination der Zuhörenden vervollständigt werden.
Die konzise Gestaltungskraft von Emelyanovs Spiels kommt bei dieser klassischen Moderne ebenso zur Geltung wie bei Barbers neoklassizistischer Sonate, die vom Interpreten in ein kühles, aber nicht kaltes Licht gestellt wird. Bach meets Beethoven – aber auch den Minimalismus.
Georg Henkel
Trackliste
Serge Prokofieff: Visions fugitives op. 22
Samuel Barber: Klaviersonate op. 26
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |