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Reviews

Fux, J. J. – Haydn, J. – Debussy, C. u. a. (Rondeau, J.)

Gradus ad Paranassum


Info

Musikrichtung: Barock / Klassik / Cembalo

VÖ: 03.03.2023

(Erato / Warner Classics / CD / DDD / 2022 / Erato 5044197416170)

Gesamtspielzeit: 82:28

MUSENGIPFEL

Debussy auf dem Cembalo? Das ist nun wirklich der Gipfel! Nämlich des musikalisch sehr gelungenen Konzeptalbums „Gradus ad parnassum“ von Jean Rondeau, das den Aufstieg zum Wohnsitz Apolls und der Musen als reizvollen Parcours in vertrautere und abgelegene Repertoirebereiche gestaltet.

Doch während die Kompositionen eine Muzio Clementi, eines Haydn, Mozarts oder Beethoven mit einer gewissen zeitlichen Nähe zum Barock komponiert wurden bzw. das Cembalo im Frühwerk zumindest von Mozart und Hayden noch eine Rolle spielte, ist das bei Debussy schon etwas anderes. Oder auch nicht: Der französische Meister, der so unvergleichlich für das Klavier komponierte, berief sich immer wieder auf die Musik eines Couperin oder Rameau.

Und so gestattet sich Rondeau, zumindest ein Werk des Impressionisten für Cembalo zu transkribieren: jene etwas ironische Klavierstunde, die Debussy für seinen Zyklus „Childrens Corner“ in Anspielung an stupide Piano-Exerzitien unter dem Titel „Doctor Gradus ad Parnassum” komponierte. Dieses Stück funktioniert auf dem Cembalo sehr gut, persifliert es doch auf raffinierte Weise die Etüden, die ein gewisser Herr Clementi Anfang des 19. Jahrhunderts unter dem Titel „Gradus ad Parnassum“ veröffentlichte.
Gleichermaßen dürfte sich der Titel auf das berühmte Kontrapunktlehrbuch des Herrn Fux aus dem Wien des 17. Jahrhundert beziehen, dessen vollständiger Titel bereits ein lateinisches Gelehrtenstück der gehobenen Art darstellt: Gradus ad parnassum sive manuductio ad compositionem musicae regularem, methodo nova, ac certa, nondum ante tam exacto ordine in lucem edita. Auch Fux ist im Programm vertreten. Aber dazu gleich noch mehr.

Wie Rondeau die Register seines wahrlich edel klingenden Cembalos einsetzt und den lyrischen Klavierklang fast vergessen macht, überzeugt bei Clementi ebenso wie bei der Adaption von Joseph Haydns umfangreicher As-Dur-Klaviersonate sowie den kurzen preludesken Beethoven-Ausflügen.
Tatsächlich gewinnt Haydns Stück sogar an Substanz, mindestens an klanglicher. Auch Clementis akademische Lehrstücke entwickeln Suspense, zumal Rondeau hier und an anderer Stelle Spannungspunkte durch delikate Verzögerungen aus der Musik herauskitzelt. Und für Mozarts melancholische D-Moll-Fantasie oder das luftige Andante aus dessen Klaviersonate Nr. 16 findet Rondeau einen emphatischen Zugang, obwohl die notorischen Alberti-Bässe unter diesen Bedingungen natürlich besonders ohrenfällig durchlaufen und der Dur-Teil der Fantasie eher wie ein ironischer Schlenker wirkt. Es ist erneut die subtile Gestaltung Rondeaus, sein expressives Timing und das Gespür für die große Architektur, durch die die Musik die (dynamischen) Grenzen des Cembalos (und auch mitunter eine gewisse Vorhersehbarkeit der Musik) vergessen macht.

Doch bei allen gipfelstürmenden Transkriptionen: Vor allem bei den beiden dem Renaissance-Polyphoniker Palestrina zugeschriebenen Ricercari und zwei Stücken des nicht minder kontrapunktaffinen Johann Joseph Fux wirkt der Einsatz des Cembalo am stärksten. Die Klarheit und Durchsichtigkeit seines Klangs kommen der Abbildung von kristallinen Strukturen à la Palestrina ebenso wie dem barocken Verzierungsrauschen eines Fux entgegen.
Exquisit, wie sich Rondeau bei Palestrina gleichsam in die polyphonen Strukturen hereintastet und bei Fux das barock-konzertante Element vor allem in den tänzerischen Variationen der ausladenden D-Dur-Chaconne ausspielt.



Georg Henkel

Trackliste

Johann Joseph Fux: Harpeggio; Ciaccona D-Dur K. 403
Giovanni Pierluigi da Palestrina: Ricercari del primo & secondo tuono
Joseph Haydn: Klaviersonate H16 Nr. 46
Muzio Clementi: Gradus ad Parnassum op. 44 Nr. 45 "Andante malinconico" & Nr. 14 "Adagio sostenuto"
Wolfgang Amadeus Mozart: Fantasie d-moll KV 397; Andante aus Klaviersonate Nr. 16 C-Dur KV 545
Ludwig van Beethoven: Präludien op. 39 & 2 & f-moll WoO 55
Claude Debussy: Doctor Gradus ad Parnassum aus Children's Corner

Besetzung

Jean Rondeau, Cembalo nach deutschen Vorbildern des 18. Jahrhunderts
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