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Kapsberger, Secret Pages – für Theorbe und Klänge von Venedig
Info
Musikrichtung:
Barock - Neue Musik / Theorbe
VÖ: 03.03.2023 (Arcana / Note 1 / CD / DDD / 2021 / A541) Gesamtspielzeit: 59:17 |
FRAGILE SCHÖNHEITEN
Die magische, stets gefährdete Schönheit und verwirrende maritime Morbidezza von Venedig – sie klingt an in den Kompositionen für Theorbe von Giovanni Girolamo Kapsberger und von Claudio Ambronisi.
Dabei überspannt der zeitliche Rahmen dieses Programms, das Stefano Maiorana auf einem nach historischen Vorbildern konstruierten Theorben-Nachbau von Francisco Hervas präsentiert, rund 400 Jahre: Kapsberger komponierte seine häufig von barocken Tanzformen inspirierten Stücke im frühen 17. Jahrhundert. Der 1949 geborene Ambrosini ist ein zeitgenössischer Komponist, der gleichwohl alte Kunstformen und Instrumente auf neue Weise zum Klingen bringt. Die Schwingungen der Vergangenheit werden von ihm gleichsam in die Gegenwart verlängert.
So entstehen durch die Gegenüberstellungen facettenreiche Vexierbilder, bei denen der der alte und der neue Meister die Möglichkeiten ihres Mediums erforschen. Der Expressivität und satztechnischen Experimentierfreude Kapsbergers setzt Ambrosini eine an den historischen Mustern orientierte, aber gleichwohl klanglich stark erweiterte Musik entgegen: Die Saiten werden nicht nur gezupft, sondern geschlagen, mit der Hand gedämpft, gerieben, gestrichen. Schläge auf den Renonanzkörper ergänzen die konventionelle Tonerzeugung um geräuschhafte und perkussive Klänge.
Die Stücke habe auch eine höhere Binnenspannung, sind disruptiver und fragmentarischer, dabei trotzdem fasslich. Mitunter komponiert Ambrosini eine Vorlage von Kapsberger direkt weiter, wie die unbetitelte „Etüde“ zu Beginn, die wie manch anderes Stück auf diesem Album aus einem Manuskript mit Übungen für einen Schüler Kapsbergers stammt. Offenbar hat der Meister hier nur einen Anfang vorgegeben, der vom Spielenden (improvisierend) weitergeführt werden sollte – und das tut in diesem Fall Ambrosini mit seiner „Tastata“-Komposition.
Als „Interludien“ sind dokumentarische Tonaufnahmen aus Venedig eingefügt, Stimmen, Echos, Wasserklänge, in denen sich das historische und moderne Venedig mischen. Anspielungen auf die Flut von 1600 und 2019 finden sich ebenfalls – die akutelle Bedrohung der Lagunenstadt durch Kreuzfahrtgiganten und Klimawandel bilden eine Art beunruhigendes Hintergrundrauschen, vor dem sowohl Kapsbergers wie Ambrosinis Stücke eine eigentümliche melancholische Fragilität gewinnen.
Georg Henkel
Trackliste
1 | Claudio Ambronisi: Tastata; Tastata riflessa; Toccata; Aria; Canzone; Canzone in eco; Sarabanda; Ciaccona; Ricercare; Arpeggiata |
2 | Giovanni Girolamo Kapsberger: Corrente; Toccaten I & II; Gagliarda; Ricerchata; Aria veneziana; Battaglia; Romanesche; Stücke ohne Titel |
3 | Klänge Venedigs: At the Murazzi, ancient sea fortification; Gondolas moored at the Biennale Gardens; High tide in St. Mark's Square, bells and chorus of seagulls; Steps into the flood; Moored cruise ships; Children at the Frari (Tomb of Monteverdi) |
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |