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La Tragédie de Salomé (Ballettmusik, Erstfassung 1907)
Info
Musikrichtung:
Spätromantik / Orchester
VÖ: 03.02.2023 ( b-records / Note 1 / CD / DDD / live 2021 / LMB049) Gesamtspielzeit: 65:00 |
KAMMERMUSIKALISCHER EXZESS
Florent Schmitt komponierte seine Musik zwischen den Epochen: Tiefverwurzelt in der spätromantischen Tradition, gehörte er Anfang des 20. Jahrhunderts zu den innovativsten Orchesterkomponisten Frankreichs mit einer harmonisch überreifen musikalischen Sprache. Damit löste er nicht nur bei Igor Stravinsky Bewunderung aus. Sein schwelgerischer, mitunter bis zum plakativen Exzess sich steigernder, Eros und Thanatos hymnisch beschwörender Stil frappierte und provozierte. Dass er sich nach dem 1. Weltkrieg auch als Antisemit und schließlich Anhänger des Nationalsozialismus profilierte, gehört ebenso zu seiner Biographie wie die Verweigerungshaltung gegenüber der musikalischen Nachkriegsmoderne. Florent Schmitt blieb sich und seinem einmal entwickelten Idiom treu.
1907 brachte Schmitt seine Ballettmusik „La Tragédie de Salomé“ in einer den Uraufführungsbedingungen geschuldeten kammermusikalischen Fassung heraus. Wenig später überarbeitete er das Werk zu einer großbesetzten sinfonischen Suite, die zu seinen erfolgreichsten Schöpfungen gehört.
Das Ensemble „Les Apaches!“ widmet sich nun der kleiner dimensionierten Urfassung, die sich freilich durch eine sehr differenzierte Orchesterbehandlung auszeichnet, die allenfalls hinsichtlich der reduzierten Zahl von Musikern kammermusikalisch zu nennen ist.
Die aus der Bibel bekannte Geschichte der Salome, die im Auftrag ihrer Mutter Herodias ihrem Stiefvater König Herodes tanzend so lange den Kopf verdreht, bis dieser den der Mutter verhassten Propheten Johannes enthaupten lässt, hat ja eine ganze Reihe von Komponisten inspiriert. Richard Strauss Opernversion hat auf Schmitt unmittelbar anregend gewirkt. Schmitt gestaltet das Drama als Ballettpantomime, bestehend aus fantastischen orientalischen Szenerien und exotischen Tänzen verschiedener ekstatischer Windungs-, Verführungs- und Enthüllungsgrade – man kann sich die dazu gehörige gewagte Choreographie ohne weiteres vorstellen. Das Ganze wird vom Komponisten in Manifestationen von Naturkräften, Sturmwind, Feuer, Blitz und Donner, eingebettet. Filmmusik-Komponisten dürften auch heute noch von diesem Musterbuch aufreizender Tonmalereien profitieren.
Als Teil eines multimedialen Projektes wurde Schmitts rauschender Musik ein sublimes Intro vorangestellt, ein Werk für Flöte und Live-Elektronik von Fabien Touchard, das mit den Motiven von Schmitts Werk spielt. Der Titel „Loïe“ bezieht sich auf Loïe Fuller, die bei der Uraufführung 1907 die Salomé tanzte. Hauptsache bleibt aber Schmitts Werk, dessen luxurierendes orchestrales Netzwerk hier dank der versierten Musiker:innen und einer detailgenauen Ausleuchtung durch den Dirigenten Julien Masmondet auch in kleiner Besetzung Eindruck macht.
Georg Henkel
Besetzung
Julien Masmondet, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |