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Christus am Ölberge
Info
Musikrichtung:
Klassik / Oratorium
VÖ: 04.11.2022 (Phi / Note 1 / CD / DDD / 2022 / LPH039) Gesamtspielzeit: 47:36 |
JESUS ALS OPERNHELD
Das kurze Oratorium „Christus am Ölberge“, das Beethoven zunächst 1803 auf ein Libretto von Franz Xaver Huber komponierte und in einer überarbeiteten Version 1811 in Druck gab, gilt gemeinhin als eines seiner schwächsten Werke und wird heute nur selten aufgeführt. Das liegt weniger an der an sich inspirierten Musik als an der Aufbereitung des Stoffes. In sehr freier Adaption werden das Gebet und die Verhaftung Jesu als große opernhafte Szene gestaltet. Beethoven hat hier möglicherweise seine eigene schwere Lebenskrise aufgrund der beginnenden Ertaubung verarbeitet. Vorgesehen hat er das Werk auch nicht für die Kirche, sondern für den Konzertsaal. Es war zu seiner Zeit durchaus erfolgreich, selbst wenn es schon damals Kritik an der melodramatischen Fassung der biblischen Vorlage gab – ein wenig mag man hier an Hollywood-Bibel-Verfilmungen denken, die die schnörkelos geschilderten biblischen Geschehnisse gerne „bigger than life“ präsentieren.
In der Auseinandersetzung um Beethovens Oratorium deuten sich die getrennten Wege an, die die weltliche und religiöse Musik im 19. Jahrhundert einschlagen würden. Die Kirchenmusik sollte sich immer mehr von den musikalischen Entwicklungen entkoppeln und ihr Heil in der Musik der Renaissance suchen, um den Preis künstlerischer Sterilität und Biederkeit.
Beethoven schließlich konnte die musikalische Sprache von „Christus am Ölberge“ in seiner einzige Oper „Fidelio“ weiter entwickeln, sein Christus scheint den späteren Opernhelden bereits vorwegzunehmen.
Die Einspielung unter der Leitung von Philippe Herreweghe tut alles, um dem Werk musikalisch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Mit seinen beiden Spitzenensembles, dem „Collegium Vocale Gent“ und dem „Orchestre des Champs-Élysées“, sowie einem ausgezeichneten SolistInnen-Trio, bei dem der lyrische Tenor Sebastian Kohlhepp als Christus mit seinem ausdrucksschönen Ton noch einmal besonders hervorsticht, gelingt eine bis ins Detail geschliffene Darbietung. Herreweghe setzt auf einen ungekünstelten, geradlinigen Ausdruck, der Beethovens Musik als Werk der Wiener Klassik ernst nimmt, ohne sie durch zusätzliches Pathos überfrachten. Das Ganze ist dann doch mehr dramatisches Ortorium als Oper.
Der sehr gute Klang sorgt für eine sehr plastische Wiedergabe.
Georg Henkel
Besetzung
Eleanor Lyons, Sopran
Thomas Bauer, Bass
Collegium Vocale Gent
Orchestre des Champs-Élysées
Philippe Herreweghe, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |