Reviews
Wellerman - The Album
Info
Musikrichtung:
New Shanty
VÖ: 04.11.2022 (Universal) Gesamtspielzeit: 45:23 Internet: https://www.nathanevansofficial.com/ https://www.promotion-werft.de/ https://www.universal-music.de/ |
Dieser Song avancierte rasch zum Ohrwurm - "Wellerman".... So klang es nach Shanty modern, klang, als wäre der Gesang soundtechnisch aufgepeppt, doch ist er es? Wie der Herr Nathan Evans nun singt, kann man anhand von sechzehn Songs auf der aktuellen Platte, genannt wie der Song, Wellerman - The Album, nun nachvollziehen.
Well, ein Wellerman, das waren Versorgungsschiffe, die unter anderem Walfänger mit Waren belieferten, und aus jenen Tagen stammt auch dieser Song ursprünglich, entstanden etwa um 1860-1870. Und nicht nur dieses Stück, sondern auch viele der anderen sind Bearbeitungen alten Liedguts, von Shanties wie "The Banks Of Sacramento" oder "Drunken Sailor". Dieses Genre, das ja eigentlich versuchsweise schon einmal von Achim Reichel aufgegriffen wurde ("Dat Shanty Alb'm" aus 1976) wird nun wohl wieder belebt und nennt sich dann New Shanty. Nun denn, lassen wir den siebenundzwanzigjährigen schottischen Postboten Nathan Evans anheben zu dieser neuen Form von Arbeitsliedern der Matrosen.
Mit dem Hit startet die Platte, mehrstimmiger Gesang, der, sehr breitflächig aufgestellt, scheint irgendwie elektronisch bearbeitet worden zu sein in den Refrain-Anteilen, es klingt unnatürlich, wird von klopfender Perkussion untermalt. Gut, der Song mag Ohrwurm-Charakter aufweisen, verpufft aber auch recht rasch, weil die Interpretation wirklich nichts Besonderes aufweist, außer, dass Evans diesen und die folgenden Songs sicher gut singt, und man ihm diese beherzte Art auch durchaus abnimmt.
Und so ziehen die Songs, a capella vorgetragen, ihre Runden, bis sich bei "Drunken Sailor" dann weitere Instrumente einstellen. Fiddle und Tin Whistle vermitteln dann auch grundsätzlich ein angenehmes keltisches Feeling, doch die Programmierung verdammt diese Version dann eher zu einem schwachbrüstigen Dancefloor-geeigneten Song, schade eigentlich.
Und so geht es mir bei allen übrigen Stücken so, dieses ständig programmierte Klopfen, das ständig zum Disco-Fox auffordert, nervt, und man hätte mit etwas Sorgfalt und Gespür für Natürlichkeit in der Produktion dazu beitragen können, dass sich mit dem Schwerpunkt auf akustisch in den Vordergrund gestellte Instrumente ein mehr authentisches Feeling hätte einstellen können. So hat es letztlich dazu geführt, dass im Laufe der Spielzeit einfach Langeweile eintritt, weil sich fast jedes Arrangement mit diesem künstlich klingenden Chorgesang stark ähnelt.
Ein Lichtblick bahnt sich an - "Wild Mountain Thyme" , ein wunderschönes traditionelles Lied, dessen sich zum Beispiel auch The Byrds annahmen, wird mit akustischer Gitarre vorgetragen und hält sich angenehm zurück im Arrangement, und hier kann der Protagonist zeigen, wie einfühlsam und emotional er mit seiner Stimme agieren kann. Ja, das ist eine sehr schöne Bearbeitung dieses traurigen Songs. So geht es weiter, und ich frohlocke, denn mit "Caledonia", einer Liebeserklärung an die schottische Heimat, im Original vom Schotten Dougie MacLean, setzt Evans noch einen drauf, auch hier wieder minimalistisch begleitet. Hier sehe ich die Zukunft des Sängers, nicht beim Mitschwimmen auf einer nach Charts schreienden Welle mit Songs minderer Qualität.
Doch wahrscheinlich hätte kein Hahn nach Nathan Evans gekräht, hätte er per Social Media die soeben genannten Songs vorgestellt, und das ist verdammt schade. Für Party ist Zeit, aber wohl nicht für ein Zuhören und Genießen. Und schon stampft es wieder los mit "The Banks Of Sacramento", bei dem die eingeflochtene keltische Atmosphäre schon bald wieder zugekleistert wird. Das wird dann noch ein Stückchen mehr übertrieben mit diesen unsäglichen Mixen von "Wellerman" und "Drunken Sailor" (#14, 15) Vielleicht, damit es sich dann noch ein besser verkauft, darf dann ein weiterer Ohrwurm, der Seemannsromantik vorspiegelt, "Santiano", nicht fehlen, und die gleichnamige Band wirkt dann auch noch mit.
Und so sehe ich auf Wellerman - The Album mehr Schatten als Licht, Musik für die Masse von Hörern*innen, die ein schnelles aufglühendes Feuerchen lieben und fordern und kein Interesse an hochwertigen musikalischen Bearbeitungen haben. Ein wenig Hype schwingt somit mit, und ich hoffe, dass man Nathan Evans nicht auf dieser momentanen Erfolgsschiene hängen läßt, wenn sich dieses "Neue" nicht mehr so gut verkauft. Er sollte sich besser verkaufen und sich hochwertigerer Musik widmen, denn die Ansätze dazu existieren auf jeden Fall.
Trackliste
2 Bully Boys
3 Bully In The Alley
4 Drunken Sailor
5 Leave Her Johnny
6 Roll The Old Chariot
7 The Last Shanty
8 Haul Away
9 Wild Mountain Thyme
10 Caledonia
11 The Banks Of Sacramento
12 Shanty Man
13 Wagon Wheel
14 Wellerman (Sea Shanty / 220 KID x Billen Ted Remix)
15 Drunken Sailor (Harris & Ford Remix)
16 Santiano feat. Santiano
Besetzung
plus misc. musicians & programming
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |