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Bach-Transkriptionen - Sechs Concerti für Violoncello piccolo
Info
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 05.01.2023 (Arcana / Outhere / Note 1 / CD / 2022 / Artikelnr. A 535) Gesamtspielzeit: 80:03 Internet: Mario Brunello (FB) |
FREMDVERLIEBT
Was will man machen, wenn man sich fremd- oder hier wohl eher doppeltverliebt hat? Am liebsten möchte man eben doch beide. So mag es Mario Brunello ergangen sein, dem einerseits Bachs Musik am Herzen liegt und dessen Herz andererseits seit einiger Zeit dem Violoncello piccolo gehört, jenem wendigen Instrument von sanglicher Qualität aus der Barockzeit, für das allerdings Bach (und auch sonst kaum ein Komponist) kein explizites Repertoire hinterlassen hat.
Um das Dilemma zu überwinden, greift Brunello auf die Kunst der Transkription zurück. Das ursprüngliche Solo-Melodieinstrument bei Bedarf zu ersetzen, war schon zu Bachs Zeiten gängige Praxis und oftmals lässt sich heute nicht einmal sagen, ob die überlieferte Version nun die ursprüngliche Fassung wiedergibt oder nicht schon ihrerseits eine Transkription war. Insofern also schlüssig, wenn Brunello kurzerhand Cembalo- bzw. (ihrerseits schon rekonstruierte) Violin- oder Oboenkonzerte als Grundlage nimmt. Bei den Cembalokonzerten entsteht damit notgedrungen eine Art Doppelkonzert für Violoncello piccolo und Cembalo, dem dann immer noch genug Zierrat auszuführen bleibt, während die Imitation der Oboen- oder Violinstimme weitgehend 1:1 möglich ist.
Das Resultat ist nicht nur eine erneute Werbung für den spezifischen, kraftvollen, geschmeidigen und schmeichelnden Sound des Violoncello piccolo. Es erweist sich auch auf natürliche Weise als stimmig. Dabei kann es kaum überraschen, dass das Cello seine stärksten Momente jeweils in den langsamen Sätzen hat, die Brunello auf unnachahmlich melancholische, im besten Sinne herzerweichende Art einzufärben und auszusingen versteht - starke Momente. Erstaunlicherweise schnurren aber auch die raschen Ecksätze weitgehend mit uhrwerksgleicher Präzision und ohne jeden Verlust an musikalischem Reichtum ab, wozu das lebendige Spiel der Accademia dell´Annunciata nicht wenig beiträgt, die sich auch nicht aus der Bahn tragen lässt, wenn Brunello im Allegro des Concerto BWV 972 mal etwas arg ruppig die Zügel schießen lässt oder wie im Presto BWV 974 schwindelerregend die Beweglichkeit des Violincello piccolo ausstellt. An anderer Stelle (Kopfsätze BWV 1056R und 1055R) wählt der Maestro allerdings (zum Wohle des Celloklangs?) ziemlich eigenwillig schleppende Tempi. Unnötig eckig ausgeführt wirken zudem Melodielinie und Orchesterpart im Finale des Concertos A-Dur.
Als Bonbon gibt es eine von Orchesterleiter Riccardo Doni höchstselbts - nein, nicht transkribierte, sondern instrumentierte Fassung des Italienischen Concertos. Das hat dann schon deutlich stärker experimentellen Charakter, zeigt aber mit einer Prise disneyhaftem Humors den Reichtum, der in diesem Stück verborgen liegt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
Besetzung
Accademia dell´Annunciata
Riccardo Doni: Ltg.
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |