Reviews
Vespro di Natale (Ein rekonstruierte Vesper zu Weihnachten)
Info
Musikrichtung:
Barock / Geistliche Musik
VÖ: 28.10.2022 (Deutsche Grammophon / Universal / 2 CD / DDD / 2021 / Best. Nr. 4862977 ) Gesamtspielzeit: 95:00 |
JUBILATORISCH
Der heimliche Star dieser Aufnahme mit geistlichen Werken Claudio Monteverdis ist – eine Orgel! Eine Orgel, mitteltönig gestimmt und mit einer Disposition, wie sie für die späte Renaissance typisch ist. Der verminderte Winddruck, der die Pfeifen zum Klingen bringt, sorgt für einen milden, gleichwohl vollen, singenden Ton.
Ein derartiges Instrument schwebte dem venezianischen Meister offenbar vor, als er in seiner berühmten Marienvesper genaue Registrierungen für den Basso Continuo angab. Und es ist eine solche, wenngleich erst 1998 für die Kirche Santa Caterina in Treviso historisierend nachgebaute Orgel, um die herum Maestro Andrea Marcon sowie das in Basel beheimatete Ensemble „La Cetra“ ihre weihnachtliche Vesper aus Werken Monteverdis komponiert haben. Woher die Stücke dafür stammen? Monteverdi hat neben der berühmten Marienvesper eine monumentale späte Sammlung mit geistlichen Werken hinterlassen: „Selva morale et spirituale“. Aus diesem bunt sprießenden „geistlich-moralischen Wäldchen“ kann man ohne weiteres ein passendes Programm für eine Vesper zur Geburt Christi zusammenstellen.
Zwar kennt man diese Stücke bereits aus diversen Zusammenstellungen – aber wann hat Monteverdi je so fröhlich, ja jubilatorisch geklungen? Wann so durchlichtet und goldgrundiert? Und üppig, ohne schwerfällig und unscharf zu wirken?
Die Orgel hat nämlich auch die Entscheidungen bei den Interpretationsfragen wesentlich beeinflusst: Marcon hat den Chor relativ groß besetzt, jeden Stimmpart sechsfach, so dass die diversen ausgezeichneten Solist:innen in den Tutti-Abschnitten nicht nur verdoppelt, sondern je nach Bedarf vervielfacht werden können. Eine auch historisch vertretbare Lösung, die sich an den weihnachtlichen Festbesetzungen in San Marco orientiert. Die weiteren Instrumente, insbesondere Posaunen und Zinken, verschmelzen mit der Orgel zu einem großen leuchtenden Klangraum, in dem die Singstimmen sich mit Emphase entfalten können.
Sehr schön gelingt es, die inhärente Theatralik der Musik, ihre darstellerische und affektive Kraft, freizusetzen. Die Kontraste zwischen den solistischen und chorischen Passagen, den instrumentalen Zwischenspielen oder den Registerwechseln sorgen für ein lebendiges und reich koloriertes Klangbild im Kleinen wie im Großen. Was für eine konzertante Klangpracht! Auf gewisse Weise bekommt man hier ein katholisches Gegenstück zur hinreißenden Praetorius-Christmette, die 1994 beim gleichen Label erschienen ist (Gabrieli Players, Paul McCreesh).
So geht barocke Weihnachten!
Georg Henkel
Trackliste
1 | Monteverdi: Domine ad adiuvandum; Psalm 109 »Dixit Dominus II«; Psalm 111 »Beatus vir I«; Psalm 112 »Laudate pueri II«; Venite, sitientes, ad aquas Domini; Psalm 116 »Laudate Dominum I«; Hymnus »Christe redemptor omnium«; Magnificat I; Cantate Domino a 6 |
2 | Giovanni Gabrieli: Psalm 110 »Confitebor tibi, Domini III«; Sonata XVIII a 14; Intonationi del primo, secondo, ottavo, nono, decimo, undicesimo toni |
3 | Alessandro Grandi: O felix, o lucidissima nox; O intermerata |
4 | Francesco Usper: Sonata a 8 con quattro soprani |
5 | Giovanni Valentini: Hodie Christus natus est |
Besetzung
Andrea Marcon, Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |